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Black & white – Geschichten aus dem neuen Südafrika Von Bartl Grill

Damit das Vertrauen der werten Leserschaft in diese Kolumne nicht schwindet, und weil die Person, von der diese Geschichte handelt, künftig eine wichtige Rolle spielen wird, geben wir es heute zu: Ja, wir haben eine Maid. Am Anfang war natürlich PC-klar: europäischen, aufgeklärten Menschen kommt in Südafrika kein schwarzes Hausmädchen in die Stube. Ausgerechnet im Land der Apartheid. Niemals! Ausgeschlossen! Hatten wir uns geschworen.

Es sollte ganz anders kommen. Bald nach der Ankunft hatten wir ein hübsches, helles Häuschen mit Palmen und Bananenstauden im Garten gefunden. Wir feilschten gerade mit dem Landlord – so wahrheitsgetreu werden hierzulande Wohnungsgeber genannt – und versuchten, das fintenreiche Vertragsafrikaans zu begreifen. „Übrigens“, sagte der Vermieter, „es gibt hier noch jemanden. Die gehört zum Objekt.“ Wir gingen zu dem kleinen Verschlag im Hinterhof, den wir für einen Kartoffelkeller oder so etwas ähnliches gehalten hatten. Da kam sie auch schon heraus: Princess, die Maid, gleich zu erkennen an der bordeauxroten Baskenmütze, die viele Nannies im Lande tragen. An ihrer Schürze hingen zwei kleine Mädchen.

„Bitte Boß, behalten Sie mich“, bettelte die Frau. „Wie soll ich denn sonst meine Familie durchbringen, Madam.“ Der Boß und die Madam schauten sich betreten an. Was tun? Wenn wir ihr kündigen, verliert sie das Dach über dem Kopf und den Job. Wenn wir sie weiter beschäftigen, sind wir genau dort, wo wir niemals hinkommen wollten. Unmöglich. Die Freunde, die Genossen und Genossinnen würden uns für üble Verräter halten. Und wie stehen wir vor uns selber da?

Doch Princess sah uns so flehentlich an, daß gar keine andere Wahl blieb. Die Maid und wir – es kam uns vor wie der erste Sündenfall in der neuen Heimat. Gemischte Gefühle, Fremdelei, Mißverständnisse in der ersten Tagen. Princess wirbelt schon frühmorgens mit dem Federwisch durch die Regale. Sie will den Kaffee ans Bett bringen, den Lunch auftischen und die Reisekoffer schrubben. Sie macht einfach alles, weil wir ihr nichts auftragen.

Sie staunt über diese sonderbaren, befehlsscheuen Weißen. Wir staunen unsererseits nicht schlecht, als wir zum ersten Mal ihre Wohnstube inspizieren. Da hocken auf knapp 14 Quadratmetern Südafrika beieinander: Princess, ihre beiden erwachsenen Töchter Theodora und Nancy, deren Töchter Happiness und Sylvie, Theo, der Hausfreund, dessen Schwester und eine Nachbarin. Acht Leute in einer winzigen, muffigen, fensterlosen Bude! Ein kleiner Fernseher kracht, Theo nuckelt an einer Rotweinkartusche, die Mädchen hüpfen quiekend auf dem Bett herum. Über der Kochplatte hängt ein Pin- up-Girl, barbusig, weiß und blond. „It's nice, hübsch, nicht?“ sagt Princess.

Eigentlich sind die schäbigen servant quarters (Gesindekammern) nur für je eine Person gebaut. Aber wo sollten Theodora, Nancy und die beiden Kurzen hin? Wir haben uns allmählich daran gewöhnt, daß in unserem Satelliten-Haushalt fünf Personen leben. Und weil die Bevölkerungsdichte im handtuchschmalen Garten ziemlich hoch ist, nennen wir ihn scherzhaft „unser Township“. Unterdessen haben wir auch einen neuen Modus vivendi gefunden. Den erklären wir nächste Woche.

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