piwik no script img

Hafen und Sozis auf Schmusekurs

■ SPD-Parteitag als Kontakthof besonderer Art / Stadtentwicklungssenator Thomas Mirow wird Chef der Hafenstraßenlösung Von Florian Marten

Zu heftigen Annäherungsaktionen zwischen Hafenstraße und SPD kam es am vergangenen Wochenende im Curiohaus, wo SPD-Parteitag und Hafenstraßen-Ausstellung Tür an Tür einen Kontakthof der besonderen Art ermöglichten. In Saal 5 (Hafenstraße) kam es zu regelrechten Verbrüderungsszenen. Wissenschaftssenator Leonhard Hajen: „Ich bin wirklich froh. Jetzt ist die Diskussion wieder offen.“ Und, zum Modell: „Die Architektur von dem Baller find ich einfach toll. Wenn wir das nur irgendwie bezahlen könnten.“

Hafensträßler besuchten umgekehrt den SPD-Parteitag und waren teilweise tief beeindruckt. IG-Metall-Chef Teichmüller hat die Polit-Herzen einiger BewohnerInnen mit seiner prägnanten Streikrede im Sturm erobert: „Das war einfach stark.“ Auch SPD-Chef Frahm fand offene Ohren bei den Gästen, als er den abwesenden Henning Voscherau lobte: „Ich bin ausdrücklich dankbar, daß er so gehandelt hat. Damit wird die Partei auch wieder für junge Leute attraktiver.“ Derweil sorgten sich die HafensträßlerInnen in Saal 5: „Was machen wir, wenn Voscherau uns besucht? Geben wir ihm die Hand?“

Es blieb nicht beim Austausch von Freundlichkeiten. Die Hafenstraßen-Ausstellung wurde gleich von mehreren SPD-Kreisen gebucht. Eine Gruppe von Sozialdemokraten aus Mitte, Eimsbüttel, Harburg, Altona und Nord setzt sich inzwischen ein für „eine vorbehaltlose Diskussion der Vorstellungen Genossenschaft St.Pauli Hafenstraße, bevor Entscheidungen über die Baupläne getroffen werden.“ Auf dem nächsten SPD-Parteitag am 22. April will die Gruppe den Antrag stellen, den Erhalt der Hafenstraße zu sichern.

Die Hafenstraße bekrittelt zwar leise den „oberlehrerhaften Ton“ von Voscheraus „Angebot“, signalisiert aber unmißverständlich Richtung Rathaus, den „Sinneswandel“ Voscheraus zur Kenntnis genommen zu haben. Die bange Frage eines Voscherauberaters an die taz, „Na, wie nehmen die es auf?“, wurde vom „Hafen“ inzwischen ansatzweise beantwortet: Die Hafenstraße will ihr Modell genossenschaftlichen Wohnungsbaus weiter „zur Diskussion stellen“, freut sich über den „rapiden Wandel der Vorstellungen des Senats für die Bebauung des Hafenrandes in St.Pauli Süd“, rätselt jedoch, inwieweit der Senat jetzt wirklich auf Stadtentwicklung im Dialog umsteigen will.

Auch das Rathaus weiß noch nicht, wie die Bebauungspläne des Senats für das Areal östlich der Häuser, der jetzt zur endgültigen Entscheidung anstehende Bebauungsplan St. Pauli 35, verwirklicht werden. Werden die alten Entwürfe der Hafenrand GmbH noch einmal gründlich überarbeitet, wie Mirows Oberbaudirektor Egbert Kossak es zeichnend andeutete? Wird es eine öffentliche Diskussion unter Einbeziehung von Hafenstraße und Stadtteil geben? Am Montagabend nimmt sich die SPD-Fraktion der Sache an, am Mittwoch ist die Bürgerschaft dran. SPD-Fraktionschef Günter Elste kann sich vorstellen, daß „wir den Antrag der GAL zum Bebauungsplan 35 ergänzen“. Kurz: Die Bürgerschaft könnte Voscheraus Vorschlag leicht variiert zum konkreten Antrag machen.

Sicher ist dagegen: Stadtentwicklungssenator Thomas Mirow wird die politische und bauliche Lösung des Hafenstraßenkonflikts übernehmen. Mirow hat schon einmal, im Herbst 1987, als Senatssprecher unter Klaus von Dohnanyi einen friedlichen Hafenstraßendeal inszenieren geholfen. Vorläufig gilt also: „Hafen bleibt!“ Die Räumungstitel werden nicht angewandt, einige SPD-Hardliner fürchten, sie stünden schon völlig zur Disposition. Elste: „Die Räumungstitel müssen wir in jedem Fall behalten.“ Finanzsenator Ortwin Runde, der einst mit seinem Hafenstraßenmodell über die Lawaetzstiftung an Voscherau scheiterte: „Das war klug von Henning, wenngleich nicht überraschend.“ Aber: „Extrawürste für die Hafenstraße wird es nicht geben. Das sage ich nicht allein als Finanzsenator. Das wäre der Bevölkerung nicht mehr vermittelbar. Da sind Reemtsma und Vogel mit ihren vielen 100 Millionen gefragt.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen