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Barbie hat keine Muskeln

■ Der Sportverein ist zwar für Frauen nicht wie vor 100 Jahren tabu, aber immer noch in Struktur und Führung männlich dominiert

Starke Frauen fehlen dem Land. Das weibliche Ideal ist Barbie. Und Barbie hat immer noch keine Muskeln. Und wenn sie Muckis hätte, hieße es wohl, sie hätte sich männlichen Werten angepaßt. Frauen im Sport – ein komplexes Phänomen, auf dessen Spuren sich Gertrud Pfister, Professorin für Sportwissenschaft in Berlin mit Forschungsschwerpunkt „Frauensport“, seit längerem begeben hat.

taz: Ist Sport Frauensache?

Gertrud Pfister: Als wettkampforientierte Aktivität ist Sport für Männer attraktiver.

Warum?

So etwas ist nicht biologisch verankert, sondern in Sozialisationsprozessen vermittelt. Kleine Jungen werden in ganz frühem Alter angehalten, zu konkurrieren. Daher auch ihre verrückten Versuche in der Schule, Aufmerksamkeit zu erregen – Mutproben, Klassenkasper spielen. Verein und Übungsleiter – auch Übungsleiterinnen – orientieren sich an diesen Bedürfnissen. Hinterm Sport steckt ein System, Werte und Normen, die stark männlich dominiert sind.

War das immer schon so?

Die deutsche Turnbewegung, Vorläuferin des modernen Sports, der erst 1880 nach Deutschland gekommen ist, trug stark militärische Züge. In Jahns Turnbuch kommen Frauen überhaupt nicht vor. Frauen haben sich sukzessive Sportarten, Leistungsebenen erobert, was gleichzeitig eine Anpassung an männliche Standards ist.

Was wollen denn Frauen?

Weniger Kräftemessen, mehr Bewegungskultur – Entspannungskurse, tänzerisch-gymnastische und gesundheitsorientierte Angebote wie Rückenschule.

Aber immer mehr Frauen treten in einen Sportverein ein.

Mittlerweile ist im Deutschen Sportbund jedes dritte Mitglied eine Frau. In Führungsgremien beträgt der Frauenanteil dagegen bloß zehn Prozent. In Volkshochschulen sind Frauen mit 80 bis 90 Prozent überrepräsentiert.

Ist Sport für Frauen nicht „im Verein am schönsten“?

Nein, weil die Strukturen auf die Normalbiographie und den Geschmack der Männer abgestimmt sind. Der traditionelle Verein, zu dem eine gewisse Art von Geselligkeit gehört, entspricht sicher dem Geschmack von Frauen nur bedingt. Es ist immer noch anerkannter, eine gute Gastgeberin zu sein als eine gute Funktionärin.

Wie bitte?

Wir arbeiten gerade an einer Mädchen- und Frauensportwoche „Barbie kriegt Muskeln“. Die bisherigen Ergebnisse besagen, das weibliche Ideal ist Barbie, und die hat bekanntlich keine Muskeln.

Immer noch nicht?

Wir haben 12jährige befragt. Keine einzige fand Muskeln schön. In den USA zeigen Untersuchungen, daß popularity bei Jungen von Sportlichkeit abhängt, bei Mädchen nicht.

Und die Frauen, die im Studio ihren Körper stählen?

Das ist eine andere Altersgruppe – die 30- bis 40jährigen.

Kehrt die jüngere Generation zu alten Rollenklischees zurück?

Naja, auch das eigentliche Ziel vieler Bodybuilderinnen ist Schlankheit. Körper und Gesundheit sind Waren auf einem Markt, der versucht, immer noch größere Anteile zu gewinnen, mit Aerobic, Callanetics. Es ist unglaublich, wie man heute seinen Körper stilisiert!

Einem Schweizer Wissenschaftler zufolge werden Sportlerinnen, sofern sie in Medien auftauchen, zum Gutteil mit sexuellen Attributen bedacht.

Wir haben 1986 eine Bild-Zeitungs-Untersuchung gemacht – „Turnküken, Rennmiezen“. Über Aussehen, Alter, verheiratet, mit Freund oder ohne erfährt der Leser am meisten. Frauen werden sprachlich oft in Verkleinerungsform dargestellt – „die Mädels, die Skihasen, die Prinzessin“. Bestimmte Diskurse tauchen häufig auf: Versagen Frauen, lag es an den Nerven, was die Vorstellung der weiblichen Schwäche stärkt. „Sie fährt wie ein Mann“, zeigt, Frauen werden am Maßstab des Mannes gemessen.

Und Lolita, Babs und Jessica, Ehefrauen von männlichen Leistungsträgern...

...dienen der netten Auflockerung. Gerade einmal vier Prozent des Bild-Sportteils gebührte Frauen – in der Hauptsache geht es im Sport um Fußball. Aber über Frauen der Fußballspieler wurde immer noch mehr berichtet als über Sportlerinnen anderer Sportarten. Der Sportteil wird eben für Männer und von Männern gemacht. Wobei manche Sportlerinnen mit der Reduktion auf ihren Körper keine Probleme zu haben scheinen. Wenn ich Heike Henkel mit ihrem knappen Trikot sehe, das ihr immer provokativ in die Pofalte rutscht...

Wer oft abgelichtet wird, steigert seinen Marktwert. Sportkleidung wird wohl nicht umsonst immer neckischer.

Frauen schließen sich aber von vornherein von bestimmten Sportbereichen aus – wo Leistung zählt, man Grenzerfahrungen macht und sich Räume aneignet.

Das heißt?

Kinder eignen sich Räume in konzentrischen Kreisen an, Wohnung, Garten, Straße. Mädchen aber viel weniger als Jungen. Mädchen in einem bestimmten Alter ziehen sich häufig in ihr Zimmer zurück. Das setzt sich bei Frauen fort, die viele Räume nicht nutzen: Joggen, alleine Radfahren. Viele Räume unserer Gesellschaft haben sich Männer angeeignet. Zum Beispiel Fußballplätze, Prestigeobjekte, in die viel Geld investiert wird. Wogegen Schwimmbäder, in denen sich ältere Frauen gerne bewegen, aus Rentabilitätsgründen geschlossen werden.

Und was ist mit Sportlerinnen in klassischen Männersportarten?

Die zeigen den kleinen Fortschritt der Entwicklung: Frauen können sich leichter als früher aus der Palette etwas aussuchen. Tabuisierungen gehen zurück. Mann sieht, daß zum Beispiel auch Frauen-Stabhochsprung ästhetisch sein kann. Oder Frauen-Fußball. Schade nur, daß Frauen diese Angebote so wenig nutzen.

Warum tun sie es denn nicht?

Mädchen begeistern sich einfach weniger für Sport. Sie werden stärker behütet, u.a. aus Angst vor körperlicher Belästigung. Auch die Bewegungsangebote sind unterschiedlich: Mädchen haben fünf Puppen, keinen Ball. Sie müssen öfter auf Geschwister aufpassen, haben weniger Freizeit als Jungen, die eher in den Sportverein gehen.

Im heutigen Deutschen Turnerbund sind weit mehr Frauen (70 Prozent) als Männer, nur eine ist im Vorstand.

Frauen tun sich nicht nur aus Zeitgründen schwerer, in ein schon bestehendes männliches Netzwerk einzudringen. An attraktiven Posten kleben häufig Männer, die bei der Emanzipation im Sportverein Macht zu verlieren hätten. Männer untereinander sind, wenn es drauf ankommt, gute Kumpel.

Und Frauen?

Lassen sich leichter marginalisieren, da ihnen die Lobby fehlt. Es sind durchaus auch manche Frauen frauenfeindlich eingestellt.

Oft sind das Frauen, die Frauen weniger zutrauen und zum Beispiel lieber einen Mann zum Trainer haben. Frauen haben noch Barrieren zu überwinden. Das zeigt sich darin, daß alle Aufstiegspositionen im Sport, in Sportwissenschaft und -journalismus, stark von Männern dominiert sind.

Ist der von Frauen geführte Verein denn der bessere?

Frauen sind nicht die besseren Menschen. Aber es ist immer besser, wenn in einer Gesellschaft möglichst viele Perspektiven mit einfließen, auch von marginalisierten Randgruppen, weil es den Blick für vieles öffnet. Frauen sind zu anderen Verhaltensmustern sozialisiert, die vielleicht so einer Vereinslandschaft ganz guttäten. Interview: Cornelia Heim

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