: Statt-Mode: Strukturreformen
■ Die grauen Senats-Newcomer bemühen sich um eigenes Profil / Statt-Partei-Politiker rütteln zumindest verbal an Behördenfesten / Zwei Beispiele
hne Strukturreform läuft gar nix. Klaus Scheelhase, verkehrspolitischer Sprecher der Statt Partei, kündigt die große Fahrpreiserhöhungsblockade an. Der Änderung der HVV-Tarife werde seine Fraktion nicht zustimmen, wenn zuvor nicht sämtliche betriebswirtschaftlichen Daten des HVV auf den Tisch gelegt und Strukturreformen des Verkehrsverbundes eingeleitet werden, die langfristig den Kostendeckungsgrad der Nahverkehrsbetriebe verbessern.
„Ohne Reform keine Fahrpreiserhöhung“, ist Scheelhaase sicher: Denn da CDU und GAL sich den neuen Tarifen (durchschnittlich +7,2 Prozent) ebenfalls verweigern wollen, ist die SPD auf Scheelhaase & Co. als Mehrheitsbeschaffer angewiesen. Kooperationsknatsch vorprogrammiert?
Eine einschneidende Strukturreform wird bis zur Bürgerschaftsentscheidung über die Tariferhöhungen Ende April allerdings kaum zu bewerkstelligen sein. So fordert der Statt-Parlamentarier von Verkehrssenator Eugen Wagner bis dahin zumindest „Konzepte, die in die richtige Richtung zeigen“. Die heißt für Scheelhaase: Gleiche Leistung mit weniger Personal. „Senkung von Personalkosten“, „freiwerdende Stellen nicht wieder besetzen“ und „Teilzeit statt Vollzeit“ lauten die Schlagworte.
Doch in welchen Bereichen ein Personalabbau möglich ist und welche Auswirkungen er für das Service-Angebot der Bahn hätte, vermag Scheelhaase nicht zu prophezeien: „Das soll mir Senator Wagner sagen.“ Der aber hält die Einsparmöglichkeiten für weitgehend erschöpft und läßt keinen Zweifel daran, daß schon die geplante Defizitbegrenzung nicht ohne „Veränderung“ - im Klartext Verminderung - „des Leistungsangebotes“ des ÖPNV möglich sei.
Doch daß die Statt Partei notfalls auch für weniger Leistung und noch höhere Tarife plädieren würde, wenn das Defizit anders nicht zu senken ist, mag Scheelhaase nicht dementieren. Umwelt- und verkehrspolitische Gesichtspunkte jedenfalls spielen bei den Spar- und Strukturbemühungen des SPD-Juniorpartners keine Rolle. Keine Rolle spielte auch die angekündigte Fahrpreisblockade der Statt Partei in der Senatssitzung am vergangenen Dienstag. Statt-Partei-Senator Erhard Rittershaus monierte zwar, daß Kollege Eugen Wagner den HVV nur zu Einsparungen von 4,6 Millionen Mark verdonnern will, stimmte den geplanten Fahrpreiserhöhungen schließlich aber ohne Wenn und Aber zu. mac
och ne Luftblase? Vollmundige Ankündigung, leider ohne den Hauch einer Chance auf Umsetzung? Oder vielleicht doch ...? Wirtschaftssenator Erhard Rit-tershaus (62) ist sich ganz sicher: „Ich denke, daß in wenigen Jahren die Leistungsträger der Behörden auch leistungsgerecht bezahlt werden können. Die Zeit ist einfach reif dafür.“
Was der frühere BAT-Manager, der auf dem Ticket der Statt Partei in die rotgraue Stadtregierung eingezogen ist, per Welt-Interview prophezeit, käme einer Revolution in den Hamburger Amtsstuben gleich. Abschied von der beamtenrechtlich geregelten Aussitz-Entlohnung. Ende der leistungsunabhängigen Staatsdiener-Alimentation bismarckscher Prägung. Leistungsgerechte Bezahlung statt Einheitstarif nach BAT. Rittershaus wittert „quantensprungartige Veränderungen“.
Die wären auch nötig, und zwar nicht nur in Hamburg, wo der Senat seit Jahren erfolglos an einer Verwaltungsreform bastelt. Die Bezahlung der rund 45.000 beamteten Hamburger Staatsdiener ist durch Bundesrecht geregelt, der Einfluß Hamburgs beschränkt. Also, wie soll das genauer funktionieren, Herr Wirtschaftssenator?
„So weit, ins Detail, ist darüber noch nicht nachgedacht worden.“ Rittershaus-Sprecher Wolfgang Becker kann „zu diesem Zeitpunkt“ noch nicht weiterhelfen: „Es ist ein weiter Weg.“ Und Peter Mihm, Sprecher des für das städtische Personal zuständigen Senatsamts für den Verwaltungsdienst assistiert: „Die Veränderung des Beamtenrechts fällt schwer, schon wegen der vielen Beamten in Bonn.“
Dies wiederum bestreitet auftragsgemäß der Deutsche Beamtenbund: „Wir sind schon immer der Auffassung gewesen, daß nach Leistung bezahlt werden muß.“ Hans-Georg Opitz, stellvertretender Landesvorsitzender der Hamburger Beamten-Lobby, hat dabei allerdings anderes im Sinn als der Wirtschaftssenator. Es gibt, klagt Opitz, schon jetzt allzuviele Beamte, die mehr leisten als sie nach ihrer Eingruppierung müßten.
Leichter als bei den Beamten könnte es für Rittershaus bei den fast 70.000 Nicht-Beamten im öffentlichen Dienst werden. Hamburgs ÖTV-Chef Rolf Fritsch sieht in Rittershaus Visionen ein „erstes positives Signal“ für den fälligen Umbau der Verwaltung und bietet Starthilfe an: Die ÖTV sei zu Hamburg-spezifischen Vereinbarungen jederzeit bereit. uex
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