: Schicken Sie Ihren Bruder
■ Kaum Chancen für Frauen in der männerdominierten Sportberichterstattung
Die ZDF-Redakteurin Ulla Holthoff war eigentlich selbstverständlich davon ausgegangen, daß sie im Frühsommer zum ZDF- Team bei der Fußballweltmeisterschaft in den USA gehören würde. Aber Karl Senne, Sportchef beim größten Sender der Republik, delegierte sie nicht. Seine Begründung: „Wir können ihr nicht zumuten, daß sie fünf Wochen von ihren Kindern getrennt ist.“ Nach den familiären Verpflichtungen der männlichen Fußballreporter fragte Senne allerdings nicht. Ihm ging es wie den meisten Doyen in den Sportressorts deutscher Medien, die für eine Sportjournalistin einfach keinen vom eigenen Geschlecht zu Hause lassen würden.
Sang- und klanglos ging die Ungleichbehandlung im alltäglichen Sportgeschäft unter. Nicht einmal als dieser prominente Fall von Frauendiskriminierung – noch dazu durch das liberalkonservative Hamburger Abendblatt – ruchbar wurde, hat es eine Intervention des eigentlich zuständigen Verbandes deutscher Sportjournalisten (VDS) gegeben. Auch hier handelt man nach dem Ehrenkodex der schreibenden Branche: Streit untereinander ist unerwünscht, Krähen hacken sich gegenseitig keine Augen aus.
Und dabei handelt es sich um keinen Einzelfall: Die WDR-Reporterin Sabine Töpperwien, die keineswegs darauf erpicht ist, stets nur als Schwester des ZDF-Mannes Rolf Töpperwien wahrgenommen zu werden, wünschte während der letzten Bundesligasaison ein Interview mit Werder Bremens Trainer Otto Rehhagel. Der bügelte sie glatt ab: „Schicken Sie Ihren Bruder!“ soll er gesagt haben, was als Tonbandmitschnitt zwar nicht vorliegt, aber auch nie dementiert wurde. Rehhagel hält Frauen im Fußball offenbar für zierendes Beiwerk, geeignet bestenfalls als Ergänzung bei Weihnachts- oder Meisterfeiern.
In keinem anderen journalistischen Metier hat sich männlich- chauvinistisches Denken so lange halten können – und es wird noch immer kultiviert. Eine Umfrage unter Teilnehmern eines Volontärkurses an der Hamburger Akademie für Publizistik ergab: Für Sport interessiere frau sich schon, doch seien die Reviere – egal in welchen Medien – derart scharf abgepinkelt, daß keine Frau eine wirkliche Chance bekommt, sich im Nahbereich zwischen lokalen und überregionalen Sporthelden, Vertretern von Sponsoren und Berichterstattung zu etablieren.
Eine Frau steht keinem der bekannten Sportressorts vor; meist, wenn überhaupt, dürfen sie sich um die „weichen“ Sportarten kümmern, etwa um rhythmische Sportgymnastik, Eiskunstlaufen oder Skifahren. Selbst die Arbeit der ZDF-Frau Christa Gierke am Rande der Motorsportszene macht da keine Ausnahme. Wäre das ZDF im Besitz der Lizenz für die Formel 1 (mit dem angehenden Nationalhelden Michael Schumacher), müßte, so ein Insider, die Kollegin die Position sicher wieder verlassen.
Wenn es um das geht, was Männer gemeinhin die „schönste Nebensache der Welt“ nennen, argumentieren die meisten Ressortleiter gleich völlig marktkonform: „Eine Frau können wir nicht ins Trainingslager schicken. Die Spieler würden sie nie in den Duschraum lassen. Und die Trainer würden sie auch nicht ernst nehmen.“
Die Einschätzung ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Noch gilt Fußball hierzulande als – inzwischen letztes – Heiligtum einer nicht mehr durchgehend männlich strukturierten Gesellschaft. Kein Wunder, daß Anfang der siebziger Jahre der erste Versuch des ZDF, eine Moderatorin des „Aktuellen Sportstudios“ beim Publikum durchzusetzen, mißlang. Carmen Thomas scheiterte an einem Volkssturm der Entrüstung, als sie ein Spiel von „Schalke 05“ ankündigte. War damals allerdings die kleine Entgleisung der Thomas kaum mehr als ein sprachlicher Lapsus, den ihre Kollegen tagtäglich in ihren Sendungen in Hülle und Fülle produzierten, so stimmte die Demission der Kollegin, bei aller Demagogie, in einem Punkt sehr wohl: Frauen haben, so das männliche Mißtrauen, in der Regel keine Ahnung vom Fußball.
Nicht nur Legende ist die chauvinistische Behauptung, daß Frauen oft nur dumm fragen, wenn es darauf ankomme, präzise nachzufassen. Bestes Beispiel: Christine Reinhard, die seit Mitte vergangenen Jahres alle paar Wochen durch das „Aktuelle Sportstudio“ führt. Ihre Art ist die weibliche Entsprechung dessen, was männlichen Fußball-Journalismus so ekelhaft macht: ständig hilflos tuend und seiend, einen Fußball kaum von einer Rugbypille unterscheiden könnend, flirtet sie sich durch die Interviews mit ihren männlichen Sportstars. Nicht umsonst bekannte die Münchnerin, vom Fußball keine Ahnung zu haben, was ja aber nichts mache, da es schließlich auf den Menschen ankomme.
Mit diesem Jobbewußtsein bestätigt sie, was Männer schon immer beim Thema Frauen und Fußball zu wissen glaubten: nett, die Puppen, aber harmlos. Was im übrigen nichts damit zu tun hat, daß die männlichen Stars wie Dieter Kürten, Heribert Faßbender oder Michael Steinbrecher es kaum besser können. Sie werden auch nicht an Vorurteilen gemessen, von ihnen wird angenommen, daß sie wissen, wovon sie sprechen. Es bleibt ein Rätsel, weshalb das ZDF nicht beispielsweise Ulrike von der Groeben, Sportredakteurin bei RTL, eine Chance auf eine Sportsendung mit den höchsten Quoten gegeben hat. Wollten sie mal wieder beweisen, was sie sowieso schon wußten: Frauen am Ball – nein danke?
Solange Fußball eine Angelegenheit schwarz-rot-goldener Räson bleibt und sich Männer in erster Linie dafür zuständig fühlen, werden Frauen es im Sportbereich schwer haben. Noch schwieriger allerdings wiegt bei den Beteiligten eine Haltung des Jammerns: Warum ist Carmen Thomas seinerzeit eigentlich nie ernstlich in die Offensive gegangen? Weshalb haben sich auch Sissy de Mas und Joan Hannapel – gleichfalls gescheiterte ZDF-Sportmoderatorinnen – nicht gewehrt? Wann verlangt Magdalena Müller von ihrem Haussender endlich die Prominenz, die ihren qualitätsvollen Moderationen mehr gebührte als Dieter Kürten zu seinen Glanzzeiten?
Und letzte Frage: Warum boykottiert die versammelte deutsche Sportjournaille nicht einmal einige Spieltage lang Otto Rehhagel – bis er endlich öffentlich skandiert: „Keine Macht den Chauvis“? Jan Feddersen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen