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Rot-Grün schafft sich selber ab

■ Niedersachseen: Absolute Mehrheit für die SPD, weil FDP versagt / Gewinne für Grüne / Verluste für die CDU / Reps draußen

In Hannover kehrt der Absolutismus zurück, denn die rot-grüne Koalition war in der Gunst der Wähler so erfolgreich, daß sie sich selbst abgeschafft hat: Bei der niedersächsischen Landtagswahl hat die SPD die absolute Mehrheit der Sitze errungen, weil die FDP den Sprung in den Landtag nicht wieder geschafft hat. So der Stand der Hochrechnungen von ARD, ZDF und RTL bei Redaktionsschluß um 19.30 Uhr. Die SPD erreichte demnach etwa 44 Prozent der Stimmen, weil aber die Liberalen, Statt-Partei und die Reps nicht ins Parlament einziehen können, die absolute Mehrheit der Sitze: 80 von insgesamt 161 Sitzen im Landtag. Die CDU verlor etwa fünf Prozentpunkte undverlor ein Mandat. Sie landete bei etwa 37 Prozent der Stimmen und 66 Sitzen. Gleichzeitig gewannen die Grünen fünf Sitze bei gut 7 Prozent der Stimmen. Vor vier Jahren waren sie mit 5,5 Prozent der Stimmen knapp über die Sperrklausel gesprungen. Die Republikaner schafften das mit knapp 4 Prozent der Stimmen genauso wenig wie die diversen Ausgaben der Statt-Partei, von denen die größte gerade mal etwa 1 Prozent der Niedersachsen zu Kreuzchenmalen ermuntern konnte.

Entsetzen in der FDP-Parteizentrale, lange Gesichter bei den Grünen und für die CDU unter ihrem jungen Spitzenkandidaten Christian Wulff das schlechteste Wahlergebnis in Niedersachsen seit 30 Jahren: Das war die Seite der Verlierer bei der Niedersachsen-Wahl. Andrea Hoops, grüne Spitzenkandidatin, zeigte sich zufrieden: „Wir haben ein gutes Ergebnis auf den Tisch gelegt.“

Gerhard Schröder zeigte sich als selbstbewußter Gewinner der Wahl: Seine Politik werde so grün bleiben wie unter rot-grün, nur die Umsetzung werde jetzt schneller gehen. „Die Umweltpolitik muß sozialdemokratisch nachgearbeitet werden“, sagte Schröder. Insgesamt hätten die WählerInnen seine Politik der Arbeitsplatzsicherung bestätigt. Jürgen Trittin, niedersächsicher Bundesratsminister in den letzten vier Jahren, interpretierte das für die Grünen zwiespältige Ergebnis als Erfolg: „Mit der Wahl ist die regierungswende in Bonn eingeleitet worden.“

In Bremen löste das niedersächsische Ergebnis eine überraschende Übereinstimmung von SPD, Grünen und CDU aus. Alle drei wollen in Niedersachsen einen Trend für die Bundestagswahl entdecken. Peter Kudella, Fraktionschef der CDU in der Bürgerschaft: „Kein Traumergebnis für die CDU, aber es eröffnet Perspektiven für die Bundestagswahl.“ Kudella hatte größere Verluste für die CDU erwartet. Fazit: Alles über 35 Prozent ist ein Sieg. Ursachen für den Stimmenverlust sieht Kudella vor allem in der Bundespolitik: „Daß wir in Bonn nicht gerade in Hochform sind, das ist ja allgemein bekannt.“ Auch die Grünen kommentierten das Ergebnis bundespolitisch: „Das signalisiert einen Wechsel in der politischen Großwetterlage“, schielte der grüne Umweltsenator Ralf Fücks nach Bonn. Sein Fazit für Niedersachsen, bremisch gestrickt: „Die Grünen können aus der Regierung heraus gewinnen, und die FDP kann aus der Opposition mit der CDU heraus nur verlieren.“ Bei den Liberalen herrschte Katzenjammer. Wie vom Donner gerührt war Wirtschaftssenator Claus Jäger, als die FDP nach einer halben Stunde Hochrechnen unter fünf Prozent abrutschten: „Das möchte ich erstmal nicht kommentieren“. Eitel Freude dagegen bei den Sozialdemokraten. Bürgermeister Wedemeier: „Kleinere Parteien können aus der Regierung eher an Profil gewinnen als aus der Opposition. Für eine ökologisch ausgerichtete Partei lohnt es sich, in der Regierungsverantwortung, sich um Wirtschaftspolitik und Arbeitsmarkt zu kümmern.“ J.G./bpo

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