■ Stadtmitte: Druck machen vorm Berliner Klimagipfel!
Heute tritt die erste internationale Vereinbarung zum Schutz des Weltklimas in Kraft. Der Frühlingsbeginn ist dafür nicht schlecht gewählt: ein Tag der Hoffnung, daß die Blütenträume der Klimakonvention reifen, aber auch der Sorge, daß der Vertrag Papier bleibt.
In Berlin herrscht dagegen bisher Winterschlaf. Von wenigen unverdrossenen umwelt- und entwicklungspolitischen Gruppen abgesehen, ist der Politik und Kultur dieser Stadt bislang nicht anzumerken, daß sie in genau einem Jahr Bühne des nächsten großen Versuchs sein wird, die industriell erzeugte Erderwärmung der nächsten Jahrzehnte zu stoppen. Zu Frühjahrsbeginn 1995 wird in Berlin die erste Folgekonferenz des Umweltgipfels in Rio eröffnet. Doch lastet das Menetekel des Scheiterns auf dem Ereignis. Geht der Klimagipfel von Berlin aus wie weiland das Hornberger Schießen, so ist der absehbar letzte internationale Versuch gescheitert, die Entgleisung der globalen Wetterverhältnisse doch zu verhindern. Denn die Klimakonvention selbst ist nur ein unverbindlicher Rahmen. Sie formuliert nur die Aufgabe und die nächsten Verfahrensschritte, während verbindliche Regelungen gegen die Erderwärmung der Kompromißdiplomatie in Rio geopfert wurden. So fehlen jegliche Absprachen über die Verringerung von Treibhausgasen, über Energiesteuern, ökologische Ausgleichszahlungen an Drittweltländer oder sparsamen Energieverbrauch.
Das Vertragswerk in dieser Richtung zu vererden ist ein schlicht überlebensnotwendiger Anspruch, den wir im Namen zukünftiger Generationen an die Berliner Konferenz stellen müssen. Daß diese schwierige Aufgabe im Klimaschutz überhaupt geleistet werden kann, hängt aber wesentlich vom Klima der Öffentlichkeit im Vorfeld ab. Wird Klimaschutz öffentlich wahrgenommen, diskutiert, gefordert, gibt es eine Ländergrenzen überspannende Bewegung für die Zukunftsbedingungen unserer Kinder und Enkel? Eine Schlüsselrolle für den nötigen internationalen Druck spielt immer der Austragungsort des Spektakulums. Überwiegt hier Gleichgültigkeit, wird das eine weltweite Klimaschutzbewegung zumindest nicht beleben. Machen hier immer mehr Menschen öffentlich deutlich, wo der Wetterhahn steht, dann wird der Klimakonvention und ihrer notwendigen Umsetzung zumindest mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Zu Zeiten der IWF-Tagung, im alten West-Berlin anno 1988, wurde diese Dynamik der Öffentlichkeit noch gut begriffen. Gegenkonferenz, Straßenaktionen und Mobilisierung im Vorfeld stellten die Finanzpolitik der Industriestaaten in einer Weise in Frage, die zwar keinen Kurswechsel erzwang, aber zumindest die Legitimation der Herrschenden schwächte.
Die IWF-Tagung 1988 in Berlin und der Klimagipfel 1995 sind natürlich nur schwer vergleichbar. Vor allem, weil die Reihen der Vertragsstaaten zur Klimakonvention keineswegs fest geschlossen sind. Alle plagt das schlechte Gewissen, diese wesentliche Zukunftsaufgabe zugunsten kurzsichtiger Gegenwartszwänge zu vernachlässigen. Einige Staaten wie die Niederlande, Dänemark und hoffentlich auch Deutschland verlangen klare Reduktionsziele für Kohlendioxyd. Und es gibt in den USA eine überraschend aktive Klimaschutzbewegung und einen umweltpolitisch engagierten Vizepräsidenten.
Die politische Gemengelage bietet also die Chance, Druck im Vorfeld des Klimagipfels zu machen. Und Druck muß es gerade jetzt, ein Jahr zuvor, geben, da die Vorverhandlungen die entscheidenden sind. Hinter diese Kulissen werden wir kaum dringen. Aber wir können und wir sollten Wind in die Kulissen bringen, und zwar ab sofort. Denn nicht weniger als die Zukunft der Erde wird auf dem Spielplan stehen. Hartwig Berger
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