: Kein Raum für 30.000 Wohnungssuchende
■ Überangebot und Rezession drücken Büromieten / Immobiliencrash droht Von Florian Marten
Noch überragen Baukräne im vielfachen Dutzend die Hamburger City. Noch ist der Bürobauboom in vollem Gang. 1995 wird die Büroflut mit einer Rekordzahl von Fertigstellungen ihren Gipfel erreichen. Hamburg droht dann ein Leerstand von mehr als einer Mil-lion Quadratmetern – rein rechnerisch Platz genug für 30.000 Wohnungssuchende. Schon jetzt purzeln die Büromieten weit stärker, als öffentlich zugegeben wird.
Waren in Hamburg im Frühjahr 1992 in guten Lagen noch Nettomieten von 30 bis 50 Mark zu zahlen, so sind die Vermieter heute schon froh, wenn sie 23 bis 45 Mark erhalten. Abschläge und Sonderkonditionen bei größeren Neuvermietungen sind die Regel. Mit einem Rückgang der Mieten um durchschnittlich 15 Prozent fiel der Einbruch in Hamburg jedoch sanfter aus als etwa in Frankfurt (- 41 Prozent), Berlin (- 39Prozent), München (- 38Prozent) oder Stuttgart (- 28Prozent).
Die Hamburger Immobilienspekulanten können darüber nur gequält lächeln. Eigentlich sollte, so hatten sie bei ihren Investitionsentscheidungen Ende der 80er Jahre gehofft, das billige Hamburg preismäßig endlich Anschluß an die boomenden Ballungsräume im Süden finden. Von „Nachholbedarf“ und Mietpreisen von deutlich über 50 Mark war die Rede, Warnungen von Stadtplanern wurden in den Wind geschlagen.
Als im Juni 1992 sogar die betuliche Hamburgische Landesbank in einer Studie vor drohenden Büroleerständen warnte, war es bereits zu spät. Bagger, Beton und Baugruben waren nicht mehr zu stoppen. Einige Großinvestoren bemühten sich immerhin, ihre Projekte zu strecken.
Die Zukunft verheißt nichts Gutes: Ein wachsendes Überangebot an Büroraum, die längst nicht überwundene Rezession und der Trend in Großunternehmen, Rationalisierung auch endlich in den Wasserköpfen ihrer Verwaltungen zu exekutieren, drücken Nachfrage und Preis. Nicht ausgeschlossen, daß einige Großinvestoren sich bei ihren Kalkulationen mächtig verhoben haben. Besonders die spekulativen Großprojekte am Hafen dürften zittern. Einen richtigen Immobiliencrash ist in Hamburg jedoch kaum zu befürchten.
Die Interessen von Kreditgebern (Banken, Immobilienfonds und Versicherungen) und Spekulanten sind so eng miteinander verflochten, daß Immobilienkrisen meist erst dann ausbrechen, wenn einzelne Banken in Schieflage geraten und in Panik anfangen, ihre nicht bedienten Hypotheken durch Zwangsversteigerungen zu Geld zu machen. Dies löst eine Kettenreaktion des Preisverfalls aus – die Dominosteine der Bodenspekulation stürzen wild übereinander.
Das Kartell der Hamburger Bodenspekulation ist von solchen Horrorszenarien noch weit entfernt. Verluste bei einzelnen Objekten werden geräuschlos verdaut, einzelne Spekulanten, die sich verhoben haben, kaltlächelnd aus dem Markt gekickt: „Flurbereinigung“. Wichtiger noch: Hamburgs Bodenspekulantenszene ist immer noch überaus beschaulich. Noch immer verfügt die Stadt über großen, preisdämpfenden Besitz. Ein Gutteil der Großverwaltungen in Hamburg besitzt, was international schon längst nicht mehr Standard ist, die eigenen Gebäude selbst. Unter den fremden Spekulanten tummeln sich zudem viele, die über langen Atem und schier unerschöpfliche Reserven verfügen: Skandinavier, Briten und Kanadier betrachten Hamburg als strategische Langfristoption.
Eine Delle bei den Mieteinnahmen läßt sich da locker verschmerzen. Statt Crash also allenfalls ein bißchen Flurbereinigung und Atempause für Spekulanten. Freuen dürfen sich dagegen Bürosuchende: Mit frechem Verhandlungsgeschick lassen sich derzeit günstige Langfristverträge für gute Lagen abschließen.
Eine „Zuzugsperre“ für Büroraumsuchende ist naturgemäß nicht in Sicht. Büromenschen, die bezahlbaren Wohnraum suchen, haben es da schon schwerer. Die Klagen der Hamburger Wirtschaft, Wohnungsmangel sei eines der größten Standortprobleme, wurden vom Senat bislang nicht kreativ erhört. Vorschläge von Stadtplanern und Wissenschaftlern, Bürobau nach Möglichkeit immer mit Wohnungsbau, sogar „Werkswohnungsbau“, zu verknüpfen, fanden allenfalls bei einigen wenigen VordenkerInnen der Stadtentwicklungsbehörde Gehör. Büroraumflut und Wohnungsnot – so konsequent kann Standortpolitik sein.
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