Sanssouci: Nachschlag
■ Allzu harmlos: Shakespeares "Was ihr wollt" im Potsdamer Hans-Otto-Theater
Das Schlußtableau vereinigt, wie es sich gehört, die beiden Komödienpaare: den Herzog Orsino und Viola, deren Zwillingsbruder Sebastian und die reiche Gräfin Olivia. Die Paarordnung ist aber, gerade entwirrt, schon wieder durcheinander. Ein Männerpaar hier und ein Frauenpaar dort, sitzen die vier da, halten das jeweils falsche Händchen, und sehen aus wie sieben Tage Regenwetter. Das letzte Wort hat denn auch der Narr: „Doch als ich dann in die Betten fiel, ...hatt' ich ganz ausgeträumt mein Spiel, denn es regnet Regen jeden Tag.“
Ein derart pessimistisch-realistisch schönes Theaterende wäre der Stachel, mit dem man sich durchaus in die frühlingshaft regnerische Potsdamer Premierennacht entlassen ließe. Dazu hätte aber gehört, daß in den vorausgegangenen drei Stunden Shakespeares Kette des Begehrens ernst genommen worden wäre. Daraus, daß alle immer den unerreichbar anderen zu lieben scheinen, mit grandiosem Aufwand ins Leere laufen, entsteht die Komödie, die Spannung. Davon möchte die Inszenierung Gert Jurgons allerdings nichts wissen. Das Theater als letzter Ort der Phantasie und Utopie? Jurgons hat sich entschieden, von vornherein nicht an die großen gemischten Gefühle des von Thomas Brasch übersetzten Stückes zu glauben. Das nimmt den Figuren jegliche Fallhöhe. Abstürze, die uns interessieren könnten, finden gar nicht mehr statt. Orsino (Christian Schmidt) ist von Anfang an ein gelangweiltes Herrscherfrüchtchen, seine Verliebtheit in Oliva (Diana Dengler) paßt zum Soundtrack seiner aktuellen Lebensphase. Der gezierten Olivia möchte man weder die Trauer um seinen Bruder noch sonst ein tieferes Gefühl glauben.
Es tut weh, mitansehen zu müssen, wie ein überaus spielfreudiges, vorwiegend junges Ensemble sich in diesem risikolosen Regiekonzept verfängt. Die boshafte Lust am Wechselspiel des Verlangens wird zur Harmlosigkeit kanalisiert in längst abgetragenen Secondhand-Theatergesten. Dem entspricht das Ungefähre der Kostüme: aus allen Zeiten etwas. Damit auch ja die ganze Geschichte in allen Einzelheiten erzählt werden kann, wird das Tempo der Inszenierung so angezogen, daß die Schreck- und Lustmomente des Stückes, denen erst ein Innehalten Schärfe gäbe, andauernd überrannt werden.
Vor wenigen Jahren noch konnte Rolf Vollmann in seinem Buch „Shakespeares Arche“ über Illyrien, den Ort des Geschehens, schreiben: „Man darf sich irgend etwas zwischen Rijeka, Split und Dubrovnik vorstellen: steinig genug zum Stranden am Meer, warm genug zum Leben am Land, und voll Kultur eine Stadt...“ Im Hintergrund der Potsdamer Bühne hängt zwar der Prospekt einer idealistischen Landschaft. Aber blaß ist er, sehr blaß. Thomas Milz
„Was ihr wollt“ von Shakespeare; Regie: Gert Jurgons, Bühne: Johannes Schlack; weitere Vorstellungen am 3.4., 13.4., und 20.4., 19.30 Uhr, Hans-Otto-Theater, Zimmerstraße 10, Potsdam.
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