: Konzentration in entspannten Sphären
■ „Zwischen zweien“: Werke von Cage, Goldstein und Kaul in der Opera Stabile
Wie klingt ein halbierter, ausgehöhlter, getrockneter Kürbis, wenn er in einer mit Wasser gefüllten Plastikwanne schwimmt und mit einem filzbespannten Schläger angeschlagen wird? Der Ton ist überraschend voll, durchdringend und ein wenig vibrierend. Dies und anderes gab es in einem Konzert Neuer Musik zu hören, das am Mittwoch in der Opera Stabile stattfand.
In John Cages „Ryonji“ schlägt Matthias Kaul einen Kürbis und zugleich ein auf einem Kissen liegendes Becken in stets gleichbleibender Intensität und einem getragenen, eben nur fast stupiden Rhythmus. Malcolm Goldstein läßt dazu Steine auf seine Violine fallen. So jedenfalls erklärt er in der Pause seine Spielweise. Und tatsächlich sehen die auf der Partitur verzeichneten Linien wie die Flugbahnen von etwas nach vorne fallenden Steinen aus.
Unterschiedliche Farben in der Notierung zeigen dabei vier verschiedene Stimmen an. Drei davon werden per Tonband eingespielt. Jemand fragt den sympathischen Amerikaner, der mit Cage, Feldman und Tenney zusammengearbeitet hat, warum nicht alle Stimmen live gespielt werden könnten. Und Malcolm Goldstein bekommt leuchtende Augen. Ja, könnten! Ja, das wäre schön, aber für vier Violinisten reiche eben die Gage nicht.
Ein sehr abwechslungsreicher Abend in - bei aller Konzentration - entspannter Atmosphäre, den Kaul und Goldstein gaben: Neben Kompositionen von Cage spielen sie noch vier eigene Stücke, in denen vor allem die Verschiedenheit der internen Tonlogiken beeindruckt. Die Spannbreite reicht von der erfinderischen Erweiterung der musikalischen Möglichkeiten - so bespielt Kaul einmal nicht nur eine an einer Trittleiter aufgehängte Pauke, sondern eben auch die Leiter - bis zur konsequenten Reduktion. Die dahinter stehenden Techniken bewegen sich zwischen abstraktem, regelgeleitetem Spiel mit Klängen und assoziativen oder auch stark an Ausdrucksintensität interessierten Formen.
Letzteres vor allem bei dem Stück mit dem schönen Titel „gentle rain preceeding mushrooms“, das Goldstein in memoriam John Cage geschrieben hatte. Es beginnt mit einem Kratzen auf den Violinsaiten, das sich kurz zu Tönen verklärt und dann verstummt. Dann läßt Goldstein den Bogen dramatisch auf den Saiten hüpfen, während er aus den Tiefen seines Körpers ein Summen preßt, quetscht und drückt. Das Summen steigert sich, bis es an einen indianischen Klagegesang erinnert oder an die ihr Karma beschwörenden tibetanischen Mönche.
Man brauchte weder die musiktheoretischen noch die zenbuddhistischen Hintergründe zu kennen, die das Stück haben mag. Man konnte sich - auch wenn das etwas banausenhaft klingt - schlicht davon ergreifen lassen.
Dirk Knipphals
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