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Unterm Strich

Auch im Kulturmilieu springen die Fügungen im Kreuz: Mit Entsetzen hat die amerikanische Schriftstellerin Alice Walker, die in ihren Büchern gegen die sexuelle Verstümmelung der Frau anschreibt, den kalifornischen Kunstpreis „State Treasure“ entgegengenommen. Die Preisstatue stellt einen nackten Frauentorso dar. „Nach vier Jahren der Beschäftigung mit der Verstümmelung von Frauen ist mir eine enthauptete, arm- und beinlose Frau überreicht worden, an der an einer Kette mein Name hing“, erklärte Frau Walker ihre Empörung am Samstag der Zeitung „San Francisco Chronicle“. Auch wenn das Werk des kalifornischen Bildhauers Robert Graham als Kunst bezeichnet werde, bestehe ihre Aussage in der eindeutigen „Botschaft von Beherrschung, Gewalt und Zerstörung“. Die Autorin nahm die Statue Grahams, der schon das Olympia-Stadion von Los Angeles mit einem paradiesischen und immerhin ganzkörperlichen Pärchen bestückt hatte, zwar entgegen, will sie in ihrer Wohnung aber nicht aufstellen.

Aus seinem Schweigen geradewegs in die Rede vom Anderen übergegangen ist Botho Strauß. Nach 14monatiger Sendepause schwillt der Bocksgesang erneut bedenklich an. Wer ihn in der öffentlichen Diskussion „auch nur in entfernte Verbindung zu Antisemitismus und neonazistischen Schandtaten bringt, ist jemand, der keine Differenz mehr erträgt“, schreibt der 49jährige Dramendichter in einem Beitrag für die neuste Ausgabe des „Spiegel“, der ihn scheinbar wieder von hinten durch die kalte Küche in den nicht mehr allzu gebührlichen Diskurs um lechts und rinks einführen möchte. Strauß, der zurückgezogen in Berlin lebt, wehrt sich nun und meint, in der Diskussion gebe es „gespenstische Entwicklungen“. „Hier gibt es keine freie Rede und Gegenrede, sondern in erster Linie. Probleme krankhafter Reizbarkeit.“ Rundum wendet er sich auch gegen die „Linke“ in Deutschland, von der „keinerlei geistige Anregung mehr droht.“ Da fragt sich unsereiner dann doch bestürzt, ob da nicht was verwechselt wurde. Ob Strauß mit der anregenden Wirkung geistiger Gehalte vielleicht die Bierhefe im Brot von Christa Wolf meint?

Zumindest für Altphilologen wird dieser Tage die Geschichte umgeschrieben: In Straßburg wurde ein bisher unbekanntes Empedokles-Gedicht entdeckt, daß als direkte handschriftliche Überlieferung des Vorsokratikers eingestuft wird. Zu verdanken ist dieser Fund dem belgischen Professor Alain Martin, der Anfang der neunziger Jahre in der elsässischen Europa- Stadt griechische Literatur lehrte. Dort war sein Forschergeist schon bald von etwa 50 Papyrusfragmenten geweckt worden, die jetzt in einer Glas-Vitrine angeordnet ausliegen: In mühevoller Puzzle-Arbeit hat Martin aus den Papyrusfetzen, die zum Teil eher Karneval-Konfetti glichen, einen Text des griechischen Philosophen zusammengesetzt.

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