■ Soundcheck: Hans Liberg / Sue Foley / Robben Ford & The Blue Line
Gehört: Hans Liberg. Ein Mann spielt Klavier. Im Publikum räuspert's, ein Glucksen rechts hinten. Zwei schnelle Takte. Seufzen. Schnaufen von links, vorn gickert eine Frau. Zwei Melodien, nur angespielt: „Ludwig van ...“. Es prustet von hinten, erreicht die vorderen Reihen, Gickser, Schluchzer, da, ein Kichern, es platzt ein Kreischen. Endlich. In der Musikhalle entlädt sich hundertfaches Lachen. Verursacher dieser großartigen Stimmung am Dienstag im würdigen Saal ist ein unscheinbarer Holländer: Hans Liberg. Der springt grad' auf: „Die Polonaise von Chopin, tiefster polnischer Nationalismus“. Setzt sich und spielt zwei helle Töne. Chopin? Beatles? Oder Queen?. Bei Libergs Spieltempo ist's kaum nachzuvollziehen, welchen Klassiker er gerade in den Fingerspitzen hat. Die Übergänge, weich und kaum hörbar. Das nächste Stück: „Von der Schülerin des Gärtners von Clara Schumann“, doziert er und beginnt, die Libergsche Version der europäischen Geschichte zu erzählen. Ein Clown ist dieser Mann, so abgrundtief albern, der sein geschichtliches Wissen so leicht zwischen den Witzen versteckt, die er untermalt mit virtuos gespielten musikalischen Klassikern quer durch die Jahrhunderte. Dazu singt er und schneidet die dümmlichsten Grimassen. Respekt? Vor nichts und niemand. Mozart, Napoleon, sie alle kommen hinein in den großen Topf Libergscher Fabulierkunst. Die ultradünne Damenbinde pappt er aufs Notenbrett: „Die erste Binde, mit der man auch Klavierspielen kann“. Seriös wirkende Damen und Herren im Publikum sacken zusammen, glucksend bemüht, die Fassung zu wahren. Libergs Fangemeinde ist an diesem Abend größer geworden.
Katrin Wienefeld
Gehört: Sue Foley/ Robben Ford & The Blue Line. Drei Dutzend astreine Gitarrensoli und rund 77 unnachahmliche Licks auf der Basis von gut abgehangenem Blues und Rock wird als Ausbeute bei einem Abend mit Robben Ford garantiert eingefahren. Vorneweg ebnete in der proppenvollen Fabrik jedoch Sue Foley das Terrain. Sie hat alles, was eine diesbezügliche Fachkraft braucht, ist forsch bei Stimme und bringt ihr solides Gitarrenhandwerk auch – als hätte es dieses Beweises bedurft – bei totalem Lichtausfall über die Rampe. „Ladies-Jazz“? Von wegen! Doch Hamburgs Bluesrock-Gemeinde, vom betagten Bilderbuchfreak bis zum blutjungen Gitarreneleven vollzählig versammelt, wartete auf das Dream Team dieser unkaputtbaren musikalischen Gattung, auf die Blue Line aus Roscoe Beck (Bass), Tom Brechtlein (Schlagzeug) und Robben Ford himself. Was ihn von Stars wie Joni Mitchell und Miles Davis von anderen Weltmeistern aller Klampfenklassen unterscheidet, ist zum einen seine Beschränkung auf das Wesentliche (hier: die eher simplen Wahrheiten des Blues) und zum anderen die unbestreitbare Tatsache, daß Robben Ford immer noch besser wird und sich gerade live jede Menge flinke, modale Freiheiten nimmt, ohne die Fans gnadenlos schwindlig zu spielen.
Andreas Schäfler/Zeichnung: Tom Dieck
Heute: Die Wieder-Auflage des Glas'z-Magazins wird rauschend gefeiert mit einer Party im Caspars Ballroom in der Talstraße um 20.30 Uhr.
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