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Korruptionsaffäre im neuen Licht

■ Ausländerbehörden-Skandal: Aufenthaltsgenehmigungen wurden auch aufgrund eines Geheimdeals erteilt Von Kai von Appen

Wende im Ausländerbehörden-Bestechungsskandal? Sind Behörden-Mitarbeiter irrtümlich ins Visier der Fahnder geraten, weil sie auf Direktive von Innensenator Werner Hackmann agiert haben? Der Chef der Roma und Cinti Union (RCU), Rudko Kawczynski, lüftete gestern ein altes Geheimnis, das zumindest ein anderes Licht auf die Korruptionsaffäre wirft.

Seit Monaten steht die Ausländerbehörde in den Schlagzeilen. Immer wieder werden Fälle aufgedeckt, wonach Mitarbeiter gegen Bares Aufenthaltsgenehmigungen erteilt haben sollen. Die Ermittlungen führt die Abteilung PS 3 (Präsidialstab 3), die direkt Innenbehörden-Staatsrat Dirk Reimers unterstellt ist. Der Trupp besteht inzwischen aus 13 Polizeifahndern und einem Staatsanwalt.

Im Zusammenhang mit den umfassenden Ermittlungen gerieten auch der stellvertretende Chef der Ausländerbehörde, Uwe Brettschneider, sowie einige seiner Mitarbeiter in Verdacht. Doch gibt es tatsächlich Anhaltspunkte für Bestechung? Staatsanwaltschaftssprecher Rüdiger Bagger: „Zu laufenden Ermittlungen nehme ich keine Stellung.“ Innenbehördensprecher Peter Kelch: „Dazu kann ich nichts Konkretes sagen.“ Es muß aber nicht verwundern, daß den Fahndern, die in den vorigen Monaten tatsächliche Beste-chungsfälle aufdeckten, manche unter Brettschneider geführte Akte mysteriös vorkam.

Zur Vorgeschichte: Im November 1989 besetzten rund 300 Roma das Klinkerwerk des früheren Konzentrationslagers Neuengamme. Sie wollten ein Bleiberecht für 1500 Roma durchseten. Als die Räumung angedroht wurde, zogen die Roma zu Fuß in einem Treck zum Rathaus und fanden dann mehrere Wochen in der Friedenskirche Asyl. Hamburg stand europaweit im Rampenlicht; die Kommentare zu den Vorgängen an der Elbe waren nicht gerade positiv.

Im Zuge der Schadensbegrenzung kam es Ende November in Geheimverhandlungen zwischen Kawczynski, RCU-Anwalt Schneider, Innensenator Werner Hackmann, Ausländerbehördenchef Volker Schiek sowie dem Leiter der Abschiebeabteilung, Uwe Brettschneider, zu einem einzigartigen Deal: Offiziell beantragte Hackmann im Senat ein Bleiberecht für 150 Roma. Inoffiziell sollte das Bleiberecht weiteren Roma durch „Härtefallregelungen“ und „Familienzusammenführungen“ aufgrund der vorhandenen gesetzlichen „Unschärfe“ gewährt werden. Im Gegenzug brach die RCU ihre öffentlichkeitswirksamen Aktionen ab. Zusatzvereinbarung: strengste Geheimhaltung.

Für die Abwicklung der Fälle war in den folgenden Monaten Brettschneider verantwortlich. In einem Bericht meldete Ausländerbehördenchef Volker Schiek Ende 1992 Vollzug. Alle 1500 Roma, die zum Stichtag 5. September 1989 mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus in Hamburg untergekommen waren, hatten – wie auch immer – eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Kawczynski gestern: „Die Vereinbarung ist eingehalten worden.“

Auch der heutige Ausländerbehördenchef Ralph Bornhöft gibt zu, daß es eine „Sonderaktion“ gab. Bornhöft: „Es fand damals alles unter ernormen Zeitdruck statt, weil das neue Ausländergesetz in Kraft trat, das eine Bleiberechtslösung nicht mehr zuließ. Da ist nicht jede Akte so geführt worden, wie es normalerweise der Fall ist.“

Der Deal wäre wohl nie aufgeflogen, wenn nicht der PS 3-Trupp Ermittlungen gegen Brettschneider eingeleitet hätte und vorige Woche seine wie auch Kawczynskis Wohnung und Büroräume durchsucht wurden. Vorwurf: Bestechlichkeit bzw. Bestechung. Kawczyinki: „Ich habe niemanden bestochen – auch Herrn Brettschneider nicht.“

Innensenator Hackmann erklärte gestern: Zwar treffe es zu, daß 1989 „in Gesprächen mit dem RCU-Vorsitzenden vereinbart wurde, nicht nur für die 150 Personen, sondern auch für ihre Familien den weiteren Aufenthalt in der Bundesrepublik zu gewähren.“ Daß letztendlich zehnmal so viele Menschen bleiben durften, gibt er nicht zu. Und, so Hackmann weiter: „Die jetzt laufenden Ermittlungen gegen den RCU-Vorsitzenden und einen Mitarbeiter der Ausländerbehörde sind nicht im Hinblick auf die Bleiberechtslösung für Roma und Sinti aufgenommen worden.“Doch Fehlinterpretationen im Zuge der Fahndung mag niemand ausschließen. Staatsanwalt Bagger: „Das kann durchaus sein.“ Bornhöft: „Ich gehe davon aus, daß Staatsanwaltschaft und Polizei so etwas schnell aufklären werden.“

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