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Nur brave Mädchen erleben schöne Sachen

■ Untersuchung über Frauenklischees im Fernsehen: stumm, schön und willig

Willige Dienerinnen, stumme Assistentinnen, sexhungrige Hausfrauen – Frauen, immer schön, adrett, jugendlich und passiv. Die Männer dagegen mutig, stark, überlegen und tonangebend. Jeder kennt sie – diese Klischees. Hamburger Wissenschaftler haben jetzt im Auftrag der Hamburger Anstalt für neue Medien fünf deutsche Privatsender untersucht, um der Darstellung von Sexualität und Geschlechtsrollen nachzuspüren. Der Befund: Die alten Stereotypen sind noch längst nicht tot.

Beweise fanden die Mitarbeiter des Instituts für Interdisziplinäre Kultur- und Medienforschung (IKM) nicht nur in Erotikfilmen, sondern auch in Spiel- und Talk-Shows, Serien- und Zeichentrickfilmen, Werbespots und Kindersendungen. Rund 270 Programmstunden bei RTL, SAT 1, PRO 7, Tele 5 und dem Pay-TV-Kanal Premiere nahmen sie 1992/93 unter die Lupe. „Dabei geht es nicht um Sexualfeindlichkeit und Prüderie, sondern um Sensibilität für offen oder verdeckt inhumane und frauenfeindliche Impulse im Unterhaltungsprogramm“, heißt es in der Studie.

Sexualität werde häufig „puritanisch-leibfeindlich“ dargestellt, von Zärtlichkeit entkoppelt, mit destruktiver Gewalt verbunden oder erhalte den „Charakter des Beiläufigen“, so Teamleiter Horst Scarbath am Mittwoch abend bei der Vorstellung der Arbeit. Als drastisches Beispiel machten die Forscher den von SAT 1 gesendeten Softsexfilm „Bohr weiter, Kumpel“ aus: „Ich hätte mal wieder was für Sie, ... ja, ein schönes Filet, ganz fettfrei, zart und saftig“, bietet da die Puffmutter einem Freier ein Mädchen an.

Unter den Kindersendungen fiel Scarbath besonders negativ die Folge „Sterngucker“ aus der Premiere-Zeichentrickserie „Die kleinen Zwurze“ auf. Während Kinderstar Willy mutig, intelligent und selbstbewußt die Situationen meistert, ist seine Freundin Lilly besorgter, ängstlicher und naiver. Lilly auf die Frage, warum gerade sie als erste einen Kometen entdeckt hat: „Weil ich immer so lieb und artig bin. Nur brave, kleine Mädchen erleben so schöne Sachen.“ Subtiler und damit ein „besonders heimtückisches Modellangebot“ seien Darstellungen der bedrohlichen Karrierefrau, deren Bemühungen um Emanzipation am Ende doch scheiterten.

Die Programmverantwortlichen tun sich schwer mit der Kritik. Die Studie sei veraltet, die Programme längst geändert, hieß es am Mittwoch. „Für viele sind unsere ,Kumpel'-Filme eine besondere Form von Kabarett“, erklärte Peter Strahlendorf von SAT 1. „Wir müssen unsere Botschaft in 30 Sekunden rüberbringen, klar, daß wir uns dabei häufiger der Klischees bedienen“, räumte Harald Hotopp von der Werbefirma Lintas ein.

Nach Ansicht Scarbaths helfen gegen Frauenfeindlichkeit und miefige Sexualkultur vor allem mehr Selbstkontrolle der Sender und mehr Frauen in den Führungsetagen. Gudrun Dometeit/dpa

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