■ Politikfreie Zone Abgeordnetenhaus: Plakativer Skandal
Wer kann etwas dagegen haben, wenn im Abgeordnetenhaus die PDS-Fraktion ein CDU-Plakat an ihrer Tür aufhängt? Richtig geraten – die CDU. Die ist nicht etwa erfreut, daß die Kryptokommunisten sich als belehrbar erweisen. Die CDU-Fraktionäre regen sich auf und lassen – hochpolitischer Vorgang! – nicht nur den Ältestenrat des Hohen Hauses darüber beraten, sondern auch das Präsidium des Abgeordnetenhauses unter Vorsitz der christdemokratischen Präsidentin Hanna Laurien den aggressiven Akt verurteilen: Das Aufhängen von Plakaten sei verboten. Das Parlament hat eben eine politikfreie Zone zu sein – das leuchtet doch sofort jedem ein, oder nicht? Schließlich sollen die Politiker in Ruhe Politik machen können, ohne in unzulässiger Weise agitiert zu werden. Endlich; diese Entschlossenheit hätten wir uns früher gewünscht. Beispielsweise im letzten Sommer, als das Abgeordnetenhaus in gänzlich beschämender Weise von gelben Grinse-Bärchen auf Plakaten oder als Anstecknadeln überschwemmt wurde. Wahrscheinlich wurde das damals einfach übersehen, kann ja nicht sein, daß das jemand gut gefunden haben kann im Präsidium des Abgeordnetenhauses und bei den prinzipienfesten Parlamentariern der CDU. Oder ob die jetzige Aufruhr doch was mit dem Plakat zu tun hatte, das die PDS aufhängte? Das ist von der CDU aus Bonn. Slogan: „Steuern sparen, deshalb Umzug sparen.“ Da kann die PDS natürlich nur zustimmen. Zumindest gegenwärtig. Im Juni 1991 war das noch ganz anders. Damals war die PDS noch für den Umzug der Bundesregierung nach Berlin und sicherte im Bundestag mit ihren Stimmen die Mehrheit für den Umzugsbeschluß. Abgesehen davon aber fragt sich der Betrachter des plakativen Skandals: Haben wir nicht noch ein paar andere Probleme in der Stadt? Gerd Nowakowski
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