■ Bunsenbrenner: Das Wettrennen um die Gentherapie
Der Durchbruch ist geschafft. Die Bundesrepublik ist wieder aufgenommen in die Gruppe der führenden Wissenschaftsnationen. Doch kaum hatte der Freiburger Mediziner Professor Roland Mertelsmann bekanntgegeben, daß er mit der bereits Anfang letzten Jahres angekündigten Gentherapie von krebskranken Patienten begonnen hatte, machte ihm eine Berliner Arbeitsgruppe den Rang streitig: „Wir sind die ersten.“
Im stillen hatten die Berliner um Professor Bernhard Wittig und Professor Dieter Huhn bereits vor acht Wochen mit einer ersten Gentherapie begonnen. Anfragen der taz wurden noch im Februar abgeschmettert: „Wir geben keine Auskunft. Wir wollen selbst bestimmen, wann wir damit an die Öffentlichkeit gehen“, hieß es dort. Bestimmt haben den Zeitpunkt jetzt die Freiburger. Ein bitterer Nachgeschmack bleibt. Steht das Wohl der todkranken Patienten im Vordergrund, oder geht es um einen Platz in den Annalen der Medizingeschichte?
Der Eingriff in das menschliche Erbgut ist in der Öffentlichkeit nicht unumstritten. Gesetzliche Regelungen für die Gentherapie gibt es nicht. Zwar hat die Bundesärztekammer zur Beruhigung der Öffentlichkeit vor vier Jahren schon Richtlinien für die Gentherapie erlassen. So soll ein bundesweit arbeitendes Expertengremium die Experimente begutachten; doch dieses Gremium ist nie eingerichtet worden. Der Eingriff in das menschliche Genom muß lediglich von einer Ethikkommission, zusammengesetzt aus Mitarbeitern der jeweiligen Klinik, geprüft werden. Die Öffentlichkeit bleibt so außen vor. Glasnost darf kein Fremdwort bleiben für Forschung und Wissenschaft. Wolfgang Löhr
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