Sanssouci: Vorschlag
■ Stück über Mißbrauch: „Katharina“ im Figurentheater Marotte
Prinzessinnenalptraum Abb.: Veranstaltungsplakat
„Tausendschönchen“ lebt hinter einem goldnen Zaun, „beschützt von Neidern“. Sie ist der Augapfel ihres Vaters, des Königs. Heiraten werde er nicht mehr, denn niemand könne ihn so lieben wie sie. Weil er alles für sie tut, muß auch sie ihn lieben. Sie muß tanzen für ihn, muß ihn massieren – und sie spielen ein ganz spezielles Spielchen zusammen: Hoppe, hoppe Reiter.
Das Figurentheater „Marotte“ spielt mit „Katharina“ ein Stück über Mißbrauch. Zielpublikum: Kinder ab neun Jahren. Schwierig, schwierig – wie erzählt man Kindern von Dingen, von denen sie möglicherweise bereits viel zu früh viel zu viel wissen? Marie-Cécile Luttas Märchen handelt vom „latenten Mißbrauch“; es handelt davon, wie Eltern die Entwicklung ihrer Kinder mit ihren eigenen Projektionen besetzen: Du wirst Königin – oder eben Tennisstar, wirst das Geschäft übernehmen oder was auch immer. Dabei spricht Lutta aber auch subtil das Thema des sexuellen Mißbrauchs an, integriert Handlungsmuster und Persönlichkeitsstrukturen väterlicher Täter. „Kinder, denen sexuelle Gewalt angetan wird, verstehen das“, so die Autorin und Regisseurin. Und auch die anderen finden es richtig, daß Katharina den „Fiesling“ von Vater verläßt. Doch es dauert lange, bis sich die Prinzessin befreit. Als ein kleiner Junge auf der Suche nach seinem silbernen Vogel in den königlichen Garten gerät, will sie, die immer alles bekommt, natürlich den Vogel haben. Doch da ist noch etwas anderes: Dieser Junge kann fliegen, und er hat einen Namen. Die Prinzessin hingegen hat den eigenen vergessen. Erst in einem Traum, in dem sie auf Wellen reitet und vom Meer verschlungen wird, erfährt sie ihren Namen wieder. In dieser Szene entfernt sich die Regie wohltuend vom üblichen, effektarmen Handpuppen-Spiel: Eindrucksvoll wird eine riesige, leichte Plastikfolie wellenartig bewegt, sie verschlingt Katharina, scheint sie fast zu ersticken – und befreit sie doch: Katharina flieht mit dem Jungen aus dem Palast ... Und wenn sie nicht gestorben sind, dann fliegen sie noch heute. Petra Brändle
Heute und am 24.5., 11 Uhr, sowie auf Bestellung (Tel.: 282 89 15) im JoJo-Spieldeck, Wilhelm-Pieck-Straße 216, Mitte
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
