: Ungarn: Koalitionsregierung aus optischen Gründen?
■ Absolute Parlamentsmehrheit für Sozialisten
Budapest (taz/AFP) – Ungarns Sozialisten können wieder allein regieren – doch noch scheinen sie zu zögern. Nachdem es der MSZP unter Gyula Horn gelungen war, bei der zweiten Runde der ungarischen Parlamentswahlen am Sonntag mit 53,9 Prozent die absolute Mehrheit zu erringen, betonte der frühere Außenminister noch in der Wahlnacht, daß er weiter eine Koalition mit dem liberalen „Bund Freier Demokraten“ (SZDSZ) anstrebe. Im Unterschied zu ihren bisherigen Vorstellungen gehe er nun aber davon aus, daß seine Partei den Ministerpräsidenten stellen werde. Als aussichtsreichster Kandidat für dieses Amt gilt Parteichef Horn selbst, im Gespräch ist aber auch der Wirtschaftsexperte des MSZP, Lázló Békesi.
SZDSZ-Chef Iván Petö betonte dagegen, daß die WählerInnen für eine Alleinregierung gestimmt hätten. Die Notwendigkeit einer Regierungsbeteiligung seiner Partei sei somit nicht gegeben. Horn war wiederholt nachgesagt worden, vor allem aus „optischen Gründen“ eine sozialliberale Koalition anzustreben. Eine Entscheidung über die zukünftige ungarische Regierung dürfte am nächsten Wochenende fallen. Dann halten Sozialisten und Liberale ihre Parteitage ab.
Der Sieg der Sozialisten hatte sich bereits nach dem ersten Wahlgang vor drei Wochen abgezeichnet. In der zweiten Runde konnten sie ihren Vorsprung überraschend deutlich ausbauen und im Vergleich zur vergangenen Legislaturperiode die Zahl ihrer Abgeordneten von 33 auf 209 versechsfachen, von 176 Direktmandaten gewannen sie 149. Die Liberalen, die gegenüber 1990 leichte Einbußen hinnehmen mußten, erzielten 18 Prozent.
Kaum deutlicher hätte die Quittung der WählerInnen für die Regierung ausfallen können. Die größte Regierungspartei, das „Ungarische Demokratische Forum“ (MDF) unter Ministerpräsident Peter Boross, verlor mehr als die Hälfte ihrer WählerInnen und drei Viertel ihrer Mandate. Die konservative Partei gewann 10 Prozent und kann nun nur noch 37 Abgeordnete ins Parlament entsenden. Die populistische Kleinlandwirte-Partei erzielte sechs Prozent, der rechts-liberale „Bund Junger Demokraten“ (FIDESZ) fünf Prozent. Die Wahlbeteiligung lag am Sonntag bei 55 Prozent. Seiten 9 und 10
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