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Erinnerung an die Toten

■ Bericht über Erschießungen in China nach den Protesten im Juni 1989

Peking (dpa) – „Am 4. Juni um vier Uhr früh stieß ich im Nordwesten Pekings auf einen Lastwagen. Auf der Ladefläche saßen fünf Personen, darunter eine Mutter mit ihrem toten Sohn, neun Jahre alt. Ein Schuß hatte ihn in der Brust, ein weiterer im Rücken, ein dritter im Kopf getroffen. Mutter und Sohn waren am Abend gegen elf Uhr nahe Muxidi im Westen Pekings auf der Straße gewesen. Die Armee war auf ihrem Weg zum Tiananmen-Platz, um die „konterrevolutionäre Rebellion“ niederzuschlagen. Bei Muxidi eröffneten die Soldaten das Feuer. Viele wurden getötet, darunter der neunjährige ,Rebell‘, der sofort tot war.“ Diese Zeilen eines Augenzeugen sind in einem Bericht der Gefangenenhilfsorganisation amnesty international (ai) enthalten, der fünf Jahre nach dem Massaker den Tod von 75 Menschen dokumentiert. So wurde eine 67jährige Frau im 13. Stockwerk eines Hochhauses in Muxidi tödlich getroffen, ebenso der 19jährige Student Xiao Bo, der den Zug nach Chengdu erreichen wollte und nicht stehenblieb, als ein Soldat ihn dazu aufrief. Die 20jährige Studentin Zhang Xianghong war nach einem Verwandtenbesuch mit ihrem Bruder und ihrer Schwägerin auf dem Heimweg, als sie von Soldaten aufgehalten und getrennt wurden. Sie hielt sich hinter einem Busch versteckt, als sie von einer Kugel in die Brust getötet wurde. Der Bericht nennt grausame Details, die „in vielen Fällen darauf hindeuten, daß sie die Opfer außergerichtlicher Exekutionen wurden“. Verwandte mußten unterschreiben, daß ihre Angehörigen „Raufbolde“ waren, um deren Leichen abholen zu können. Die Familien selbst wurden auf ihre politische Loyalität hin untersucht. Wer das Urteil über die Toten nicht akzeptierte, wurde eingeschüchtert oder verlor gar seine Arbeit. Hunderte wurden getötet, viele tausend festgenommen. Auch fünf Jahre danach sitzen laut ai „Tausende politischer Gefangener“ von damals weiterhin im Gefängnis, häufig unter harschen Bedingungen.

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