piwik no script img

Stadtwerke-Aktien an die Preag verkaufen?

■ Argumente gegen die Auslieferung der Bremer Energiepolitik an den Strommonopolisten Von Helmut Spitzley

Die Geschichte der Elektrizitätswirtschaft in Deutschland ist eindeutig. Das strategische Ziel der großen Stromkonzerne RWE, PREAG, Bayernwerke ... heißt Eroberung des Strommarktes. Es liegt in dieser Geschäftslogik der PREAG, aus unabhängigen Stadtwerken abhängige Tochter- und Verteilerunternehmen zu machen.

Betrachtet man die technisch – ökonomisch – personellen Strukturen der PREAG, so wird deutlich, daß das Unternehmen durch den Besitz und Betrieb von Großkraftwerken bestimmt ist.

PREAG hält am Atomstrom fest. Über 70 v.H. der Stromerzeugung der PREAG erfolgt in AKWs. Noch kürzlich hat der Vorstandsvorsitzende Harig wiederholt, daß PREAG „gute Erfahrungen“ mit AKWs gemacht habe. PREAG beabsichtigt auch nicht, aus der Atomkraft auszusteigen oder – wie etwa die Hamburger Elektrizitätswerke – auf den Bau neuer AKWs zu verzichten. Dies sollte für politische Parteien, die glaubhaft aus der Atomkraft aussteigen wollen, bereits Grund genug sein, einen Verkauf von Stadtwerkeanteilen an PREAG/VEBA grundsätzlich auszuschließen.

Die Großkraftwerksstruktur der Preag wäre auch ohne AKWs potentiell katastrophal. Wenn Strom in zentralen Kondensationskraftwerken verbraucherfern erzeugt wird, ist die Nutzung der anfallenden Wärme im Rahmen von Kraft-Wärme-Koppelung und damit das Erreichen von Wirkungsgraden von über 90 v.H. praktisch ausgeschlossen. Auch kohlebefeuerten Großkraftwerke sind daher wegen ihrer Gesamtwirkungsgrade von deutlich unter 50 v.H. und dem damit verbundenen relativ hohen CO2-Ausstoß ökologisch nicht akzeptabel.

Und Preag will auch in Zukunft vor allem eigene Großkraftwerke bauen, am liebsten weiter AKWs. PREAG hat also langfristige Absatzziele in Bremen.

Wer Preag als fernwärmefreundliches Unternehmen darzustellen sucht, unterschlägt wesentliche Tatsachen. Sieht man vom Sonderfall eines erst kürzlich zum Veba-Konzern gelangten Unternehmens im Ruhrgebiet ab, ist die Nah-/Fernwärmeversorgung im Einflußbereich der Preag verschwindend gering. Nicht einmal bei einem Prozent der Stromerzeugung im Kernbereich der Preag wird die anfallende Wärme ausgekoppelt und als Nah-/Fernwärme sinnvoll genutzt.

Dieses „Modell PREAG“ steht der Entwicklung und Anwendung von zukunftsweisenden kommunalen Energietechnologien, die zur Abwendung von Atom- und Klimakatastrophen dringend erforderlich sind, im Wege.

Heute sind viele Bremer (Stadtwerker, Politiker, Gewerkschafter, Umweltschützer, Bürgerinitiativler...) stolz auf das neu errichtete Kraftwerk in Hastedt. Nicht vergessen werden sollte allerdings, daß die Entscheidungen für den Bau dieses umweltfreundlichen Kraftwerks selbst nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl noch harter politischer Auseinandersetzungen bedurfte. Denn die (ach so fernwärmefreundliche) PREAG hat damals schon alle Hebel in Bewegung gesetzt (Rechenkünste, Dumpingangebote, politischen Einfluß ...), um den Bau dieses umweltfreundlichen und für die Stadtwerke Bremen heute höchst profitablen Kraftwerkes zu vereiteln.

Die Bremer sollten gewarnt sein: Wenn PREAG früher bereits Anteilsbesitz und direkten Einfluß auf die SW Bremen gehabt hätte, wäre der Bau des umweltfreundlichen und profitablen Kraftwerks Hastedt Block 15 und die entsprechende Fernwärmeversorgung verhindert worden – zum Schaden der Stadtwerke und der Arbeitsplätze in Bremen.

Auch wenn PREAG/VEBA aus kartellrechtlichen Gründen nicht mehr als 25 v.H. der Anteile der SW Bremen übernehmen darf, ist doch absehbar, daß sie – wie bei all ihren Beteiligungsunternehmen – Schritt für Schritt maßgeblichen Einfluß auf die Geschäftspolitik der Stadtwerke und die Energiepolitik Bremens gewinnen würde.

Ein Beispiel: Im Bremer Umland ist ÜNH für die Stromversorgung zuständig. Obwohl 2/3 der ÜNH-Anteile von einer Kommune und mehreren Landkreisen und nur 1/3 von PREAG gehalten werden, beeinflußt PREAG entscheidend die Besetzung der ÜNH-Vorstände und auf diese Weise die gesamte Geschäftspolitik der ÜNH. Im Ergebnis ist der Anteil der Eigenerzeugung bzw. der Kraft-Wärme-Koppelung bei ÜNH verschwindend gering und liegt unter 1 Prozent.

Beste Unternehmensperspektiven für die SW Bremen

Optimierung der Versorgung aus der Sicht von Stadtwerken heißt dagegen optimale Energienutzung durch dezentrale Kraft-Wärme-Koppelung (KWK). Stromerzeugung auf der Basis von KWK ist nicht nur ökologisch wünschenswert, sondern auch „konkurrenzlos preisgünstig“. Auf einer Anhörung vor dem Hessischen Landtag hat dies auch ein Vertreter des PREAG-Konzerns öffentlich zugestehen müssen.

Außerdem: Selbst die bislang atomstromfreundliche „Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke“ bestätigt inzwischen, daß Strom aus Importkohle billiger ist als der aus Atomkraftwerken (FAZ vom 25.11.93).

Mehr noch: Die ressourcenschonende und umweltfreundliche kommunale Strom- und Wärmeerzeugung wird langfristig begünstigt, wenn – z.B. nach der Bundestagswahl im Herbst 94 – eine neue Bundesregierung die längst überfällige Energiesteuer / CO2-Abgabe in Kraft setzen wird.

Durchleitungsrechte könnten den Stadtwerken nützen

Gegenwärtig ist völlig unklar, ob, wann und wie die Durchleitungsrechte für Elektrizität in Europa neu geregelt werden. Den gelegentlich befürchteten „Dumpingangeboten“der Preag an bremische Großbetriebe sind enge wettbewerbsrechtliche Grenzen gesetzt. Denn alle anderen gleichwertigen Stromabnehmer könnten dann ebenfalls die Gewährung der Dumpingpreise für sich fordern – zum Nachteil der Preag.

Fazit: Der von SW Bremen aus Importkohle am seetiefen Hafen herstellbare Strom braucht keinen Preisvergleich zu scheuen – im Gegenteil. Einen erheblichen Teil ihres Stroms können die Stadtwerke in „konkurrenzlos preisgünstiger“ KWK-Technik herstellen. Auch im überregionalen Vergleich haben die Stadtwerke Bremen daher beste Voraussetzungen, um ihren Kunden jederzeit preisgünstigen Strom zu liefern, bremische Arbeitsplätze zu sichern und eine überdurchschnittliche Rendite zu erwirtschaften.

Es ist naheliegend, daß die PREAG beim gegenwärtigen Werben um die SW Bremen bemüht ist, ihr langfristig-strategisches Geschäftsinteresse zu verbergen.

Was für PREAG langfristig „wirtschaftlich“ ist, wird der Konzern allein nach eigenen strategischen Interessen entscheiden. Viel wichtiger als letztlich unverbindliche Vertragsklauseln ist daher die Wahl eines Anteilskäufers und ob dessen grundsätzliche Unternehmensstrategie mit den Interessen der SW Bremen in Übereinstimmung steht.

Arbeitsplätze sichern und ausbauen

Bei der Frage, ob in Zukunft Kraftwerk X oder Kraftwerk Y geschlossen, weiterbetrieben oder neu errichtet werden soll, ist klar, daß PREAG eigene Interessen verfolgt.

PREAG ist kein Wohlfahrtsunternehmen und wird daher auch in Zukunft diejenigen Kraftwerke und Kraftwerksstandorte strategisch bevorzugen, die zu 100 v.H. in ihrem Besitz sind. Standorte, an denen PREAG nur maximal 25 v.H. der Anteile halten darf, werden im Betriebsvergleich nachrangig behandelt.

Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Als die Ruhrkonzerne 1992 Anteile der Bremer Hütte kaufen wollten, haben die Klöckneraner dies aus gutem Grund abgelehnt und verhindert. Sie wußten um das strategische Interesse ihrer Konkurrenten und haben entsprechend gehandelt.

Beschaffungsfreiheit erhalten

Wenn Vorlieferanten durch die Übernahme von Aktien Einfluß auf die Geschäftspolitik der SW Bremen erringen könnten, verlören die SW Bremen ihre Beschaffungsfreiheit. Sie würden auf Dauer abhängig von einem einzigen Lieferanten und dessen Monopolpreisen.

Ein Beispiel: Wie wertvoll die Beschaffungsfreiheit bereits heute ist, haben die SW Achim vor einigen Monaten unter Beweis gestellt: Da sie in ihrer Eignerstruktur frei waren, konnten sie vor Abschluß eines neuen Vertrages über ihren Gasbezug die Angebote verschiedener Lieferanten ausschließlich nach eigenen Interessen bewerten. In den anschließenden Verhandlungen gelang es Achim, die Konkurrenz der Vorlieferanten zu nutzen und einen wesentlich verbesserten Vertrag abzuschließen. Dieser bringt den SW Achim einen geldwerten Vorteil von mehreren Mio DM/Jahr ein.

Klöckner-Risiko ist kalkulier- und beherrschbar

Die Bremer Hütte bezieht etwa 1/3 des von den Stadtwerken insgesamt erzeugten Stroms und ist daher ein wichtiger Kunde. Wenn jedoch behauptet wird, bei einem Ausfall der Bremer Hütte seien auch die Stadtwerke in ihrer Existenz gefährdet, so ist dies weit überzogen.

Die Gewinnmarge des SW Bremen für den an die Bremer Hütte gelieferten Strom ist so gering, daß trotz der großen Abnahmemenge der „Großkunde Klöckner“ kaum positiv zum Betriebsergebnis der SW Bremen beiträgt.

Selbst ein Totalausfal von Klöckner würde daher nur relativ wenig auf das Gesamtergebnis der SW Bremen durchschlagen.

Während zunächst von Verlusten in Höhe von 30 Mio DM/a gesprochen worden war, liegen inzwischen realistischere Berechnungen vor, die für kurze Zeiten Gewinneinbußen in der Größenordnung von lediglich 3 – 5 Mio DM/Jahr erwarten lassen. Im Notfall wären diese Einbußen für SW Bremen also gut beherrschbar und bereits mittelfristig durch einfache Anpassungsstrategien auszugleichen.

SW Bremen liefern der Bremer Hütte den Strom derzeit wesentlich preisgünstiger als PREAG seinen Verteilerunternehmen ÜNH und EWE. Dies mag andeuten, welche Absatzmöglichkeiten und interessanten regionalen und überregionale Partnerschaften den SW Bremen in Zukunft offen stehen könnten – nicht nur mit Preag.

Der politischen Einfluß Bremens muß erhalten werden

Ein Verkauf von Stadtwerkeanteilen ist für Bremen immer mit Verlusten verbunden. Denn vom realen Substanzwert kann durch den erzielbaren Kaufpreis vermutlich weniger als die Hälfte tatsächlich erlöst werden.

Der Senat hat seine prinzipielle Bereitschaft, Aktien der Stadtwerke zu verkaufen, mit der extremen Notsituation bei Klöckner und dem damit verbundenen Finanzbedarf begründet. In dieser Ausnahmesituation und für diesen einen Fall sind ihm die Koalitionsparteien gefolgt.

Die für Klöckner erforderlichen ca. 200 Mio DM sind mit einem Verkauf von etwa 20 Prozent der Stadtwerkeaktien aufzubringen.

Wegen Klöckner besteht also keinerlei Anlaß, darüber hinaus SW-Aktien zu verkaufen. Dies ist eine politisch wichtige Grenze. Denn wenn mehr als 24,9 v.H. der Anteile dauerhaft verkauft würden, gäbe Bremen auch die Sperrminorität in fremde Hände. Alle wichtigen Investitions- und Personalentscheidungen könnten dann durch fremde Anteilseigner blockiert bzw. getroffen werden.

Bei Aufrechterhaltung der langfristigen Handlungsfreiheit Bremens und innerhalb der Beschlußlagen von SPD und Grünen sind lediglich energiepolitisch unschädliche und prinzipiell rückholbare Finanzierungsmodelle möglich. Angesichts aktuell niedriger Kapitalmarktzinsen ist dies eine vertretbare Lösung. Die damit verbundenen Zahlung einer niedrigen Mindestrendite an die Banken ist dem gesunden Unternehmen Stadtwerke sicher zumutbar. Dieses Park-Modell wurde bereits in der Vergangenheit erfolgreich praktiziert und kann als Finanzierungsinstrument jederzeit wieder eingesetzt werden.

Ein wichtiger Vorteil wäre auch, daß Bremen sich nicht selbst unter erhöhten Verkaufsdruck setzte und zunächst Erfahrungen mit einem oder mehreren insgesamt unter der Sperrminorität beteiligten neuen Partnern gewinnen könnte.

Ob dann nach einer Denkpause weitere Anteile an synergiefähige Unternehmen verkauft, gemeinsam mit anderen Kommunen neue Finanzierungsmodelle realisiert und z.B. Bürgeraktien ausgegeben werden oder angesichts verbesserter Rahmenbedingungen und attraktiver Renditechancen die geparkten Aktien wieder durch die Stadtgemeinde übernommen werden, kann dann in Ruhe zu einem späteren Zeitpunkt erneut geprüft und entschieden werden.

Fazit: Die Stadtwerke sollten sich nicht selbst schlechter darstellen lassen als sie sind. Mittel- und langfristig können sie eine Rendite mindestens auf dem Niveau des üblichen Kapitalmarktzinses erwirtschaften. Bei derart guten Renditechancen macht ein Verkauf der Stadtwerkeanteilen finanzpolitisch keinen Sinn.

Wenn mehr als die für die Klöcknersanierung erforderlichen 200 Mio DM mobilisiert werden sollen, sind Finanzierungsmöglichkeiten zu nutzen, die fremden energiepolitischen Einfluß ausschließen und prinzipiell rückholbar sind.

Politische Glaubwürdigkeit in Gefahr

Ein Verkauf von Stadtwerkeanteilen an PREAG wäre keine Privatisierung, sondern eine weitere Monpolisierung der Energiewirtschaft.

Die Bremer Parteien, nicht zuletzt CDU und FDP, sollten daher darüber nachdenken, ob sie – all ihrer wirtschaftspolitischen Programmatik zum Trotz – durch einen Verkauf der Stadtwerke an einen marktbeherrschenden Vorlieferanten zu einer weiteren Monopolisierung der Wirtschaft beitragen und ein wichtiges bremisches Unternehmen „von außen“ steuern lassen wollen.

Und wer soll den Mitgliedern und potentiellen Wählern von SPD und Grünen erklären, daß Parteien auf dem Weg raus aus der Atomkraft zulassen, daß ihre Senatoren die SW Bremen ausgerechnet an den Vorlieferanten und Atommulti PREAG/VEBA verkaufen ?

Fazit: Politische Glaubwürdigkeit ade! Darüber müßten jedenfalls zunächst der Landesparteitag der SPD und die Mitgliederversammlung der Grünen selbst entscheiden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen