piwik no script img

Kultur statt Bier brauen

■ Das Vorbild der Kulturbrauerei an der Schönhauser Allee macht Schule: Kulturschaffende stehen bereit / Hoffnungen und Befürchtungen der Projekte richten sich auf Investoren

Alte Brauereien bringen Uwe Salzl zum Schwärmen. „Die Kombination von kleinteiligen Räumen und großen Hallen, dazu attraktive Keller“, meint der Berliner Architekt, sei für kulturelle Nutzungen geradezu prädestiniert. Kein Wunder also, daß die Kulturschaffenden bereitstehen, wo immer der Gerstensaft nicht mehr fließt.

Der Klassiker unter den heute kulturell genutzten Brauereien ist ohne Zweifel die „Kulturbrauerei“ an der Schönhauser Allee. Im Franz-Club gab es schon zu DDR- Zeiten Konzerte, der gesamte Komplex wurde seit 1991 in ein multikulturelles Zentrum umgewandelt. Im restaurierten Kesselhaus, einem der eigenwilligsten Konzert- und Theaterräume Berlins, werden auch Fernsehsendungen produziert. Vor allem aber beherbergt die „Kulturbrauerei“ eine Reihe kultureller Einrichtungen, vom Behindertenprojekt „Sonnenuhr“ über den PEN-Club Ost bis hin zu einzelnen Malern und Bildhauern.

Ende des Monats kann Joachim Sommermeier, Geschäftsführer der Kulturbrauerei GmbH, den langersehnten Mietvertrag mit der Treuhand abschließen. Auch der Verkauf des Geländes soll noch im Juni über die Bühne gehen. Im Gespräch ist jetzt der Hamburger Max-Herz-Konzern, zu dem Tchibo gehört, was aber weder Sondermeier noch die Berliner Treuhand-Niederlassung bestätigen mochten. Mit den Plänen des Investors zeigt sich Sondermeier zufrieden. Sie liefen dem Konzept der Kulturbrauerei nicht zuwider.

Besorgter schauen die Verantwortlichen auf der anderen Seite der Schönhauser Allee in die Zukunft. Für das Gelände der ehemaligen Brauerei Pfeffer, Pfefferberg genannt, hatte Architekt Salzl schon 1988 ein Nutzungskonzept vorgelegt, das in der DDR aber nicht mehr umgesetzt wurde. Nun ringen Bund und Land um das Grundstück, das ihnen je zur Hälfte gehört. Offiziell haben sich alle für das soziokulturelle Zentrum ausgesprochen. „Wir haben so viele positive Stellungnahmen, daß wir die Wände damit tapezieren könnten“, meint Heinrich Pieper von der Pfefferwerk GmbH. „Wenn es aber darauf ankommt“, klagt er, „setzt das Land dem Grundstückspoker des Bundes nichts entgegen.“

Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) müsse dem Bund entweder eine Entschädigung zahlen oder ein Tauschgrundstück anbieten, entgegnet sein Sprecher Klaus- Hubert Fugger: „Es geht in beiden Fällen um einen ansonsten nicht erlösbaren Wert, und das ist bei der gegenwärtigen Haushaltslage sehr kritisch.“ Das Pfefferwerk dagegen hat im Frühjahr ein überarbeitetes Nutzungskonzept vorgelegt. Danach soll das Areal je zur Hälfte für Gewerbe und für die Pfefferwerk-Projekte genutzt werden. Wenn die Gesamtimmobilie als Sicherheit eingebracht werde, rechnet Geschäftsführer Pieper vor, ließe sich der soziokulturelle Teil aus Eigenmitteln sanieren. Die Miete läge dann deutlich unter den Beträgen, die das Land derzeit für die Unterbringung der Projekte in anderen Räumen bezahlt.

Im Bezirk Prenzlauer Berg gibt es noch drei weitere, zum Teil denkmalgeschützte Brauereien. Daß sich die Architektengruppe wieder zurückgezogen hat, die von der Treuhand zunächst den Zuschlag für die Groterjan-Brauerei in der Milastraße erhielt, dürfte einer kulturellen Nutzung förderlich sein: Jetzt verhandeln wieder die Stadtsanierer S.T.E.R.N. und der Kulturfonds Milazzo über das Jugendstilensemble.

Ein „Kultur- und Dienstleistungszentrum mit Bibliothek“ wollte auch der Bezirk Pankow aus den alten Schultheiss-Gebäuden machen, deren bizarre Schornsteine gleich hinter dem Rathaus aufragen. So ergaben es die vorbereitenden Untersuchungen zur Stadterneuerung, doch Bezirksbürgermeister Joerg Richter (SPD) hat inzwischen zurückgesteckt: „Die Frage ist, ob es sich rechnet.“ Auch die Brau und Brunnen AG in Dortmund, Eigentümerin des Geländes, hat „noch keine konkreten Pläne“.

In den westlichen Bezirken wurden alte Brauereien längst abgerissen oder gewerblich genutzt. Doch zum Jahresende will Schultheiss seine Produktion von Kreuzberg nach Weißensee verlagern. Im alten Schmiedehof am Viktoriapark finden schon jetzt die Kreuzberger Hofkonzerte statt. In den historischen Gebäuden soll ein „Erlebnisbereich für die Kreuzberger“ entstehen, so Schultheiss-Sprecherin Asta Wegner. Auch ein Theater- und Konzertbistro ist vorgesehen. Doch die Bezeichnung „Kulturbrauerei“ fände sie übertrieben: „So kann man das nicht nennen.“ Ralph Bollmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen