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Rücktritt eines Agenten

In einem offenen Brief erklärt Lettlands Außenminister, warum er für den KGB arbeitete  ■ Von Ojars J. Rozitis

Berlin (taz) – Der lettische Außenminister Georgs Andrejevs hat eingestanden, jahrelang für den sowjetischen Geheimdienst KGB gearbeitet zu haben. Damit bestätigte er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe, die auf Aktenfunde in der ehemaligen KGB-Zentrale in Riga zurückgehen. Inzwischen hat Andrejevs sein Rücktrittsgesuch eingereicht.

In einem sehr persönlich gehaltenen und mit langen biographischen Passagen versehenen offenen Brief, der in der größten Rigaer Tageszeitung Diena auf drei ganzen Seiten als Sonderbeilage veröffentlicht wurde, hatte sich Andrejevs bereits Ende Mai an die Öffentlichkeit gewandt. In seinem Schreiben räumt Andrejevs ein, daß der KGB 1963 an ihn herangetreten sei, als er im Alter von 30 Jahren und parteilos zum Chefanästhesisten am Gesundheitsministerium der damaligen Sowjetrepublik Lettland aufgestiegen war. Sein Anwerber und späterer „Kurator“ habe ihm erklärt, daß der Geheimdienst an Stabilität in allen Lebensbereichen, einschließlich der Medizin, interessiert sei und deswegen Informationen über alle Ereignisse brauche, die die UdSSR schwächen könnten.

Nach einer Bedenkzeit, so Andrejevs, habe er sich entschlossen, auf das Angebot des KGB einzugehen. Hätte er es abgelehnt, wäre über kurz oder lang ein anderer an seine Stelle getreten, der „allen Begehren“ nachgekommen wäre. Ganz anders hätte dagegen er sich verhalten: „Meinen Kollegen zu schaden – das kam für mich absolut nicht in Frage. Ich dachte, ich könnte als Leiter meines Dienstes potentielle Opfer aus Kollegenkreisen vorsichtig warnen.“ So habe er zugestimmt, „beschränkte Informationen aus meinem Fachgebiet“ weiterzugeben. Gleichzeitig wollte er jedoch im Rahmen des Möglichen den Absichten des KGB „entgegenwirken“.

In dem offenen Brief von Andrejevs findet sich für den beabsichtigten Schutz seiner Kollegen dann jedoch nur ein konkretes Beispiel. Sehr viel breiteren Raum nimmt die Schilderung von anderen Formen des „Entgegenwirkens“ ein. So schreibt er etwa über Dia- und Videovorträge zu seinen Auslandsreisen vor Ärzten und Schwestern: „Dies war Gegenpropaganda zu hier verbreiteten Behauptungen, daß im Westen nur Kapitalisten und Reiche normal lebten und der Kapitalismus schnell verrotte.“

Andrejevs, der erst 1973 aus der sogenannten „Agentenreserve“ herausgenommen worden ist, weiß aber auch von Fällen zu berichten, in denen es ihm über seinen Geheimdienstkontakt gelungen sei, Mißstände im Gesundheitswesen zu beheben: „Langsam begann ich zu begreifen, daß der KGB als repressive Institution sich bei Bedarf in die Verwaltung des Staates einmischte. Er konnte einige Fehler berichtigen, die das Ministerium nicht als solche erkannte.“

Der offene Brief des Außenministers mündet in eine Aufforderung an das lettische Parlament, über seinen weiteren Verbleib im Amt des Außenministers abzustimmen. Nach der Einreichung des Rücktrittsgesuchs ist eine solche Abstimmung nun jedoch nicht mehr nötig.

Janis Skrastins, der Generalstaatsanwalt Lettlands, ist überzeugt, daß das ausführliche Schreiben Andrejevs' die Absicht verberge, in der Gesellschaft einen Denkprozeß anzustoßen. Diskutiert werden solle, „ob es gerecht sei, all jene, die einst mit dem KGB zusammengearbeitet haben, über einen Kamm zu scheren“. Das gerade erst verabschiedete Gesetz über die „Feststellung einer Zusammenarbeit mit dem sowjetischen KGB“ hält Skrastins gerade aus diesem Grund für „ungerecht“.

Es sind nicht nur Kollegen und ehemalige Patienten, die mittlerweile Andrejevs öffentlich Respekt für seinen mutigen Schritt zu dem offenen Brief zollen. Sie bestätigen, daß er sich keines Verbrechens schuldig gemacht habe. Auch der Arzt Agnis Stifts, der als Mitglied der oppositionellen Bewegung lange Jahre für die Unabhängigkeit Lettlands von der UdSSR kämpfte, schrieb noch vor dem Rücktrittsgesuch des Außenministers in der Diena: „Laßt uns das entschuldigen, was zu entschuldigen ist. Laßt jene arbeiten, die arbeiten wollen und können.“ Diskutiert wird in Lettland nun aber auch die Frage, warum die KGB- Kontakte eines Außenministers zu dessen Rücktritt führen, diejenigen eines Wirtschaftsbosses dagegen kaum wahrgenommen werden. So hatte der Generaldirektor der überaus erfolgreichen Firma „Skonto“ mehrfach öffentlich eingeräumt, als KGB-Offizier zuletzt für 70 bis 80 Agenten verantwortlich gewesen zu sein.

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