: Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt
■ Bruttoinlandsprodukt legte im ersten Quartal um 2,1 Prozent zu – Arbeitslosenzahlen jedoch konstant
Berlin (taz/dpa/AP) – Mit der westdeutschen Wirtschaft geht es erstmals nach mehr als zwei Jahren wieder aufwärts. Angetrieben von der expandierenden Bauwirtschaft und dem Export, kletterte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal 1994 um 2,1 Prozent über das Vorjahresniveau. Dieser Anstieg ist der erste seit Ende 1992. Im letzten Jahr war das BIP noch insgesamt um 1,3 Prozent geschrumpft. Der Aufschwung lief allerdings am Arbeitsmarkt weitgehend vorbei. Zwar ging die Zahl der Erwerbslosen im Mai saisonbedingt um weitere 141.000 auf insgesamt 3,66 Millionen zurück. Dies waren aber immer noch 421.000 mehr als im Mai vorigen Jahres. Die Zahl der Beschäftigten verringerte sich sogar um 530.000 auf 28,52 Millionen.
Sowohl das Wirtschaftswachstum als auch die leichte Abnahme der Arbeitslosigkeit sind jedoch weitgehend auf saisonale Einflüsse und weniger auf eine deutlich verbesserte Konjunkturlage zurückzuführen. So fiel der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts im Vergleich zum letzten Quartal 1993 mit 0,5 Prozent wesentlich geringer aus als im Jahresvergleich. Auch die Statistiker führen den Aufschwung auf eine Reihe von Sondereinflüssen zurück. So profitierte die Bauwirtschaft, deren Investitionen um 4,7 Prozent zulegten, vor allem vom milden Winter. Der private Verbrauch, der ansonsten eher stagniert und im ersten Quartal um 1,7 Prozent zulegte, wurde durch die Osterfeiertage Anfang April angekurbelt. Dagegen mußte bei den Ausrüstungsinvestitionen nach zweistelligen Rückgängen im Jahr 1993 ein erneuter Rückschlag um 7,4 Prozent verkraftet werden. Auch der Staatsverbrauch ging mit 1,2 Prozent wiederum zurück. Den Lichtblick allerdings lieferten wieder einmal die Ausfuhren des Exportweltmeisters Deutschland: Sie fielen mit einem Plus von 5,4 Prozent doppelt so stark aus wie die Importe (2,6 Prozent). Insgesamt steuerte der Export mehr als ein Prozent zum Wachstum von 2,1 Prozent bei.
Solche Zahlen liest die Bundesregierung freilich gerne. Nach Einschätzung von Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt mehren sich auch die Zeichen, die auf ein allmähliches Auslaufen des Beschäftigungsrückgangs hindeuten. Die Wirtschaft im Westen sei auf „einem guten Weg, die während der Rezession eingetretenen Produktionsverluste wieder wettzumachen“. Auch Bernhard Jagoda, Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, glaubt, daß sich die negativen Folgen der Rezession allmählich abschwächen.
SPD und Gewerkschaften warnten dagegen davor, den Rückgang der Erwerbslosenzahlen überzubewerten. Weder die inländische Nachfrage noch die Investitionstätigkeit der Industrie habe sich verbessert, erklärte die amtierende DGB- Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer. Im Jahresdurchschnitt müsse mit 400.000 bis einer halben Million mehr Arbeitslosen gerechnet werden als noch im letzten Jahr. Der SPD-Sozialexperte Ottmar Schreiner wies darauf hin, daß die Arbeitslosenzahl auch im Mai noch immer auf dem höchsten Stand in diesem Monat seit Bestehen der Bundesrepublik sei: „Steigende Gewinne und Börsenkurse bedeuten noch keine neuen Arbeitsplätze.“
In den alten Bundesländern zählten die Arbeitsämter Ende Mai 2.505.900 Arbeitslose, das waren 358.000 mehr als vor einem Jahr, aber 84.400 weniger als vor einem Monat. Die Arbeitslosenquote beträgt jetzt 8,1 Prozent. In den neuen Bundesländern wurden Ende Mai 1.159.500 Arbeitslose registriert, das waren 56.700 weniger als im Vormonat, aber 63.000 mehr als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote im Osten beträgt jetzt 15,4 Prozent, sie hatte im April noch 16,2 Prozent betragen. Seiten 4 und 10
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