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Opa am Schliersee anno '55

■ Seit diesem Monat im Vereinsregister: das neue Hamburger Film- und Fernsehmuseum

Der Hobbyfilm von Opa anno '55 über den Badeausflug an den Schliersee, die Aufnahmen aus dem Hamburger Hafen Anfang der Dreißiger – geht es nach den Wünschen von Eggert Woost, dann werden vor allem Filme dieses Genres im zukünftigen Film- und Fernsehmuseum archiviert.

Für den ersten Vorsitzenden des neuen Hamburger Vereins sind Amateuraufnahmen die echten Zeitdokumente: „Da sieht man das Alltagsleben, wie die Leute aussahen und was sie so gemacht haben“, sagt Woost. Er arbeitet schon seit Jahren am richtigen Ort: Der Filmliebhaber ist hauptberuflich Verwaltungsleiter der staatlichen Landesbildstelle Hamburg und hantiert ständig mit historischen Lehr- und Trickfilmen, Wochenschauen, Amateurstreifen und Werbespots. Und er hat vor Augen, was Jahr für Jahr aus dem Bestand aussortiert wird: Alte, unmoderne Werke, die auf dem Müll landen.

Was fehlte, war ganz einfach ein Filmmuseum. Den entsprechenden Verein hat er nun zusammen mit siebzehn Gleichgesinnten gegründet. Das Briefpapier ist aber noch nicht gedruckt, am Konzept muß erst mal herumgefeilt werden. Doch immerhin sind unter den Mitgliedern Profis aus der Hamburger Produktions- und Filmemacherszene, darunter Regisseur Theo Janßen, Heiner Roß vom kommunalen Kino, Ulrich Meyer von SAT 1 und Franz Winzentsen von der Hochschule für bildende Künste. Vertreten sind auch die Deutsche Wochenschau und die Trebitsch Produkion Holding.

Daß ein Filmmuseum in Hamburg eine Existenzberechtigung hat, ist für Eggert Woost keine Frage: „Hamburger Filmproduktionen und Kinos haben Geschichte. In dem Heiligengeist-Bunker begann das Fernsehen seine Arbeit. Da es zwischen Kopenhagen und Düsseldorf kein Filmmuseum gibt, dacht' ich, dazwischen könnte man ruhig noch was zeigen“.

Zur Zeit gibt es schon ein Sammelsurium an kuriosen Objekten und alten Sammlerstücken, für die in einer Kellerecke der Landesbildstelle ein kleiner Platz gefunden wurde: Vorführgeräte aus den 30erJahren, Schneidetische, Schneidezubehör, eine russische Bildwerfermaschine oder samtene Reinigungskissen für die Filmstreifen.

Kurios und rührend mutet das älteste Objekt im Museumsbesitz an: Ein Lebensrad aus dem vorigen Jahrhundert. In den Schirm dieses einer Tischlampe ähnelnden Instruments legten die Filmgroßväter einen Pappstreifen, auf den eine Bilderfolge gemalt ist. Der Trick sind die Schlitze im Schirm. Durch sie hindurchgeguckt, fangen die Bilder an, sich zu bewegen, wenn der Schirm gedreht wird.

Vieles aus diesem Mini-Fundus stammt aus den Hinterlassenschaften verstorbener Filmemacher. Bis die Öffentlichkeit in den sichtbaren Genuß solcher Seltenheiten kommt, wird's noch ein paar Jahre dauern. Vorerst müssen Räume mit den geeigneten Temperaturen für das Lagern von Filmen gefunden werden. Daß das meiste erst noch gemacht werden muß, stört Eggert Woost nicht.

Der Liebhaber alter Kino-Nützlichkeiten wie Filmklappen und Projektoren strahlt Heimwerker-Zuversicht aus: „Es geht doch erstmal ums Machen. Da muß man organisieren, hier was abholen und da was angucken. Da werden auch mal die Finger schmutzig“.

Anfang Juni wurde der Verein ins Register eingetragen und Sponsoren angeschrieben. 1995 will sich der Verein schon mit eigenen Beiträgen am 100jährigen Jubiläum des Films beteiligen. Das Museum soll „zum Anfassen und Mitmachen werden“, so Woost. Die Besucher sollen selbst an Schneidetischen sitzen und Filme vorführen können. Ganz oben auf der Spenden-Wunschliste steht ein altes Kino-Kartenhäuschen, das am Museumseingang stehen soll.

Katrin Wienefeld

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