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Dem Pophimmel entgegen

■ „For 4 U“: Walles Girlgroup No. 1 zwischen Polka und offener Revolte

Im Übungsraum haben sich, dicht gedrängt, die Jungs von den Ärzten, den Toten Hosen und Take That! versammelt. Vom Bravoposterhimmel aus strahlen sie die vier Waller Mädchen an. Anke seufzt ins Mikro: „I'm your venus/ I'm your fire/ your desire“, und der Rest von 4 Four U zockelt energisch hinterher. Hier sind die Jungs nur als Tapete geduldet: 4 For U sind eine Girlgroup, Bremens jüngste womöglich, und die legt auf männliche Begleitung keinen Wert. Einziges, legitimes Vorbild aus der Männerpopwelt (Gitarristin Tina überlegt...) – Elvis.

Und überhaupt: „Vier sechzehnjährige Jungs, die Musik machen – da gibt's doch hunderttausende von“, sagt Tina. Vier Mädchen hingegen nicht, zumal weitgehend blondmähnige, die die Oldie-Hitparade rauf und runter spielen, und „Winds of Change“ noch gleich dazu. So heuern Kneipenwirte und Hochzeitler den Waller Glücksklee zur festlich-gediegenen Beschallung an; heute nachmittag z.B. ziert das Quartett das Programm des Hagenweg-Fests der Waller Geschäftsleute. Dabei hatte alles so harmlos angefangen...

Zunächst einmal „sind wir keine Schulband“. So. Dennoch war es gerade auf einer Klassenfahrt, als die Freundinnen, damals gerade 13 Jahre alt, den Beschluß fällten, künftig dem Vorbild US-amerikanischer Teenbands nachzueifern. Namen werden keine genannt – frau wird ja reifer. So daß nach ca. einjährigem, autodidaktischem Herumdaddeln der Musiklehrer angehauen wurde. Nachdem Corinne, die Bassistin, „Herrn Koch mal kurz mit dem Zaunpfahl geschlagen hat“, spendete dieser Rat und Tat in Fragen etwaiger Gitarrenläufe; schon „freuen sich alle Lehrer“ – und dennoch: „An der Schule sind wir gar nicht so bekannt“. Ist auch ganz o.k. so, finden die vier. Schließlich gibt es wichtigeres als Schule, wie auch dem quasi-revolutionären Songtext „School“ zu entnehmen ist: „What can we do without teachers?“

Eine ganze Menge, freilich. Im heimischen Übungshüttchen, draußen in einer Laubenpieperkolonie an der A 27, haben sich Anke, Corinne, Meike und Tina ein Repertoire von einer Stunde Dauer draufgeschafft, und „zur Not können wir's auch auf zwei Stunden strecken.“ Es erklingt die schöne Musik von Roy Orbison und den Beatles, nebst eigener Stücke: Midtempo-Ohrwürmlein, die weitgehend brav vor sich hinschnuckeln. Hingebungsvoll nuschelt Anke ihre Texte ins Mikro, sei's von Liebe, sei's von Schule, Selbstmord oder gar dem Leben nach dem Tode handelnd. So nett, daß sich sogar etwas Polka-Gemütlichkeit einstellen mag – wenn nicht, gottlob, es ab und an so herrlich knirschen würde im Getriebe; wenn nicht 4 For U weitgehend allen Perfektionismus fahren lassen und einfach nach Herzenslust – spielen würden.

Auf Punk haben sie nach wie vor keinen Bock: Nur manchmal, bei den Proben, „drehen wir mal richtig auf, mit Verzerrern und so, und spielen richtig durcheinander – aber nur so zum Spaß“, sagt Tina. Lieber noch ein paar Oldies üben. Und wenn sie gut drauf sind, schaffen sie bis zum nächsten Gig, beim Waller Stadtfest Anfang Juli, noch alle „sieben Teile“ von „Pretty Woman“. tom

Heute um 16 und 17 Uhr beim Hagenweg-Fest in Walle

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