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Mein Bauch gehört mir Von Klaudia Brunst

Ich hatte ja gedacht, mit der Anschaffung des Hundes hätten wir die Debatte bis zum herannahenden Klimakterium beendet. Aber seit Martina Navratilova überall herumposaunt, daß sie nach ihren 73 erbberechtigten Katzen und Hunden nun auch noch ein Kind haben will, ist das Thema wieder auf dem Tisch: Meine Freundin möchte ein Kind. Und zwar möglichst bald. „Damit die kleine Henrike junge Eltern hat.“

Fatalerweise wäre unser schwuler Freund für eine kleine Insemination ins Becherchen durchaus zu haben. Zwar besteht er auf mindestens zwei Kindern, „damit Hendrik nicht so vereinzelt aufwachsen muß“, aber selbst das schockt meine Feundin nicht im mindesten. „Wo drei satt werden, können auch fünf mitessen“, meint sie gelassen und überprüft bereits täglich die Temperatur in unserem Eisfach. Dabei haben wir jetzt schon Mühe, das ganze Tierfutter kühl zu halten.

Die beiden haben sich offensichtlich gegen mich verschworen. Während ich mich allabendlich durch den Stau zum Grunewald vorkämpfe, um dem Hund seinen verdienten Auslauf zu ermöglichen, treffen sich die beiden regelmäßig zur Geburtsvorbereitung. Unser Kindsvater hat sogar schon eine Stoppuhr gekauft – „zum Wehenmessen“. Einen Haken hat die Sache allerdings noch. Die beiden haben nämlich beschlossen, daß ich das Kind austragen soll. Angeblich wegen der guten Anlagen. In Wirklichkeit will sich meine Freundin natürlich nur ihre gute Figur nicht versauen.

Aber ich habe mit den Jahren dazugelernt. Als meine Freundin nämlich vor zwei Jahren erstmals davon sprach, daß ein Hund eine emotionale Bereicherung für unser einsames Dink-Leben wäre, hatte ich mich nicht gleich konsequent genug geweigert. Jetzt habe ich das Tier auf dem Hals, und meine Freundin macht Karriere.

Mein eilig im Copyshop angefertigtes T-Shirt mit dem Aufdruck „Mein Bauch gehört mir“ konterte meine Freundin mit einem scheinheiligen Geschenk: Sie legte mir „Eine Familie ist eine Familie ist eine Familie“ von Phillis Burke auf den Nachtisch und führt nun demonstrativ meinen Menstruationskalender – „damit wir nicht unnötig Zeit verlieren“.

Als am Montag der neue Spiegel rauskam, meinte sie, mich endlich gepackt zu haben: „Sonst hörst du doch auch auf alles, was im Spiegel steht“, erklärte sie spitz und hielt mir den dreiseitigen Artikel „Kennwort: Sämann“ unter die Nase. Einen Moment kam ich tatsächlich ins Grübeln. Schließlich ist dieses Hamburger Nachrichtenmagazin, das mich vor Jahren dazu gebracht hatte, Journalistin zu werden, wirklich das meinungsmachende Blatt dieses Landes. Hunderttausende homosexueller Mütter wollen die Hanseaten bereits gezählt haben. Ob wir da doch gerade einen Trend verpassen? Als ich dann aber in der Auslage bei Drospa sah, daß ein Doppelpack „Pampers Phases“ mittlerweile dreißig Mark kostet, war ich mir wieder sicher: Lieber später mit Einheitsrente als jetzt am Hungertuch nagen. Sicherheitshalber schaute ich zwecks Argumentationszuwachs noch einmal in mein Lieblingsmagazin. „Lesben sollen sich einen Hund kaufen“, referierte der Spiegel eine Headline des Daily Express. Immerhin auch ein meinungsmachendes Blatt. Trendsetten ist also gar nicht so schwer.

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