■ USA: Der Einsatz der Armen im Recycling-Kreislauf: Cash for Cans
Los Angeles (taz) – Hollywood, Ecke Western Avenue, an der Grenze zu Koreatown. George, 40, schiebt seinen Einkaufswagen über den Hof und stellt sich in die Reihe der Wartenden. Sein Wagen ist angefüllt mit Flaschen und zerknickten Dosen. „Cash for Cans“ (Bargeld für Dosen) steht auf dem kleinen weißen Lastwagen, vor dem sich die Schlangen der Obdachlosen mit ihren Wagen und Tüten gebildet hat. Es ist eine der zahlreichen privaten Annahmestellen für Glas, Aluminium und Plastik, die über ganz Los Angeles verteilt sind. Doch im Unterschied zu Deutschland, wo das System der staatlichen Recycling-Container auf den guten Willen der Bevölkerung angewiesen ist, macht sich die Sammelleidenschaft in Amerika bezahlt.
John, 33, krault seinen staubigen Bart und blickt starr auf die Digitalhängewaage. Dort baumelt der Ertrag seiner morgendlichen Stöberei in den Abfalleimern und Hauseingängen des Viertels: Etwa 100 Dosen Bier, Limonade und Wasser hat er gefunden, das sind knapp vier Pfund. Der Mexikaner auf der Pritsche des Lastwagens tippt auf seinem Taschenrechner, trägt das Ergebnis in seine Liste ein und reicht John drei Dollar.
Javier Martinez, 31, betreibt zusammen mit seinem Vater, Onkel und einem Bruder das Geschäft mit dem wiederverwertbaren Abfall. Für ein Pfund Dosen zahlt Javier dem einzelnen Sammler 90 Cents, von der Fabrik bekommt er gut einen Dollar dafür.
1987 hat die USA per Gesetz eine Pfandpflicht für alle Plastikflaschen und Dosen festgeschrieben. Mit enormem finanziellen Aufwand wurden an allen größeren Supermärkten Maschinen installiert, die für je zwei eingeworfene Getränkedosen ein Fünf- Cent-Stück auswerfen. Doch die Ausbeute ist gering. Nur jede fünfte Dose gelangt auf diesem Weg in den Recycling-Kreislauf. Sehr viel mehr Erfolg haben private Firmen wie die Gebrüder Martinez, die en gros kaufen und verkaufen. Mit ihrer Hilfe schafft es der kalifornische Staat, 65 Prozent aller Getränkedosen zu recyceln. Der Grund: Sie zahlen den Sammlern einfach mehr.
Gestartet wurde das mittlerweile landesweit operierende System der Zwischenhändler Ende der sechziger Jahre von dem Kalifornier Gary Petersen. Mit einem alten Volkswagenbus fuhr er von Haus zu Haus und bat um leere Flaschen. Noch immer stellen viele Haushalte abends ihren Glas- und Dosenabfall gesondert auf die Straße. Doch heute sind es die Obdachlosen, die nach striktem Plan die Eingänge abgrasen.
Gary Petersen, heute Präsident von „Recycle America“, ist stolz darauf, durch seine Arbeit nicht nur einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten, sondern auch vielen Arbeitslosen zu einem Einkommen zu verhelfen. Sein Lieblingsbeispiel ist der Fall einer vietnamesischen Familie, die es von Null zu einem kleinen Lastwagen brachte und sich mittlerweile von den Erträgen ein eigenes Haus kaufen konnte. Je nach Viertel liegt der Anteil der Kleinstsammler bei bis zu 25 Prozent. Der Rest setzt sich zusammen aus Gastronomiebesitzern, professionellen Anbietern und nichtprofitablen Organisationen wie Schulen und Kirchen, die ihren Etat mit dem Sammeln von verwertbarem Material aufbessern.
Auf dem Hinterhof in Hollywood ist George jetzt an der Reihe. Er reicht dem Mexikaner auf der Pritsche drei Plastikflaschen, wirft den Glasabfall in einen Eimer, hängt seine Plastikbeutel mit den Dosen an die Digitalwaage. George bekommt 4 Dollar 60. Genug für ein paar Literflaschen billigen Wein. Zufrieden schiebt er seinen leeren Einkaufswagen zurück auf die Straße. Nadine Barth
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