Sanssouci: Vorschlag
■ Klingklang aus dem All: Das Interference-94-Festival im Tresor
Wenn eine Party gut organisiert ist, dann kümmert sich der Gastgeber auch um Mauerblümchen. Für die Eckensteher der Love Parade hat der schon immer leicht exorbitante DJ Dr. Motte deshalb im Tresor ein Festival mit lauter Ambient- Klängen geplant. Drei Nächte lang wird sich dort kaum ein Beatlein regen; kein rhythmisches Spektakel soll den stillen Gleichlauf der Sinuswellen und Sphärentöne stören. Das ist schon mehr als nur Balsam auf die Techno-Ohren und ein Glücksversprechen für die von Ecstasy verdrehten Gemüter: die Philosophie zum New-Age am Computer.
Ein wenig sieht sich der gelernte Maurer Motte damit als Guru einer neuen Psychedelia, die zu Beginn der siebziger Jahre von Gruppen wie Tangerine Dream oder Can, aber auch Pink Floyd und Brian Eno geprägt wurde. Doch die heutigen Massagesounds für Brainies setzen zur Technik auf eine wenigstens interaktiv zusammengepixelte Rückkehr in die Natur: Dann rufen Delphine irgendwo aus der Tiefe der Synthesizer-Kurven, und vom LP-Cover einer Gruppe wie Future Sound of London wogen einem glibberige Cyberspace-Blumen entgegen. Das Konzept der totalen Künstlichkeit jedenfalls macht den Informationskult der neunziger Jahre zum Bodensatz einer seltsamen Innerlichkeit.
Die Bandbreite der Gäste im Tresor ist ähnlich weltumspannend wie die Datenbänke. Aus Kanada kommt Plasticman, eine Art Graffiti-Techno mit abstrakten Klängen, die immer wieder in minimale Kinderlieder umkippen, und die englischen Orb sind ebenso zugegen wie die obskuren Sähkö aus Finnland. Berlin ist mit Thomas Fehlmann, dem ehemaligen Trompeter der Prä- NdW-Band Palais Schaumburg, vertreten, dessen elaborierte Klangcollagen wie auch die von Altelektroniker Christian Graupner eher länglich ausfallen: Manchmal dauert das Oszillatorenbrummen dann eine halbe Stunde. Harald Fricke
Interference 94, mit DJs und Liveacts, heute und morgen ab 21 Uhr im Tresor, Leipziger Straße 126, Mitte.
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