piwik no script img

taz mit Hofberichterstattung -betr.: "AnwohnerInnen drohen mit Randale", taz vom 29.6.94

Betr.:“AnwohnerInnen drohen mit Randale“, taz vom 29.6.

Euch zu lesen ist doch immer wieder eine Bereicherung. Da läßt die Sozialbehörde als Indiz für ihre emsige Tätigkeit bei der Suche nach einem alternativen Standort für die Drobs verlauten, selbst „die alte Stadtbibliothek am Breitenweg“ sei überprüft worden. Nun ist die Pestizidbelastung dort ja nichts Neues. Was also, liebe taz, gibt es dort zu prüfen? Ob Lindan giftig ist? Die taz druckt es brav. Aber es gibt ja noch den Anwohnervorschlag SKP. So einfach ist das alles nicht, läßt die taz den Herrn Stadtrat Dopatka zu Wort kommen. Die Räume dort stehen leer. Also kein Problem, denkt der naive Zeitgenosse. Scheinen doch eigentlich die wesentlichen Voraussetzungen für den Umzug der Drobs aus der Wohnstraße Bauernstraße erfüllt. „So einfach ist die Welt nicht“, belehrt uns der Staatsrat, der unter der Gesundheitssenatorin Rüdiger für die Ambulanz in der Drobs verantwortlich zeichnete. Die taz läßt eine Vermutung durchblicken, was die Welt denn so verkompliziert: die Finanzbehörde wolle sich „ den schicken Platz vorm Haus des Reichs nicht von Junkies beeinträchtigen“ lassen, würde „gemunkelt“. Nee, so niederträchtig ist die taz nicht, hier weiterzurecherchieren. Denn: Die heile Welt von Senatoren, Staatsräten und Beamten ist ja schließlich allemal mehr wert als das kleinbürgerlich-spießige Interesse der Wohnbevölkerung eines Viertels, nicht die gesamte Wucht der“ Betreuung“ der verelendesten Junkies der gesamten Stadt in ihren Straßen und Vorgärten ertragen zu müssen. Die taz am Puls der Zeit!

Übrigens: Herr Dopatka hat die Einladung zu der Beiratssitzung, auf der die Verlegung der Drobs in die SKP diskutiert werden könnte, abgelehnt. Diese mutige Tat sowie die ganze Borniertheit der politischen Kaste, die einerseits Verlegung sagt und sie andererseits verhindert (weder Junkies noch Viertelbewohner sind als Wähler für die SPD interessant), ist unserer lieben taz keine Zeile wert. Stattdessen drohten Anwohner mit „Randale“ (Bild läßt grüßen). Hofberichterstattung? Aber nicht doch!

Bodo Bilinski

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen