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Kaum Chancen auf Frieden

■ Der Bosnien-Plan der "Kontaktgruppe" stellt keine der Kriegsparteien zufrieden

Genf (taz) – Der Plan zur Aufteilung Bosnien-Herzegowinas, den die Außenminister der sogenannten Kontaktgruppe heute in Genf abschließend beraten und dann den Führern der Kriegsparteien offiziell zur Annahme vorlegen wollen, hat wenig Chancen auf Erfolg. Mit der Ablehnung zumindest durch die bosnischen Serben wird nach jüngsten Äußerungen ihres selbsternannten „Präsidenten“ Radovan Karadžić allgemein gerechnet. Unter den Kontaktgruppen-Staaten – USA, Rußland und für die EU Frankreich, Großbritannien, Deutschland sowie Griechenland als EU-Präsident bis zum 30. Juni – herrschte gestern weder endgültiger Konsens über die Frage, ob der Plan noch veränderbar sei, noch bestand Konsens über die Maßnahmen, die bei einer Ablehnung durch eine oder beide Kriegsparteien ergriffen werden sollen.

Die bisher unveröffentlichte Version des Planes sieht nach Angaben von Diplomaten die Teilung Bosniens im Verhältnis von 51 Prozent für die bosniakisch-kroatische Föderation und 49 Prozent für die Serben vor. Geteilt werden sollen auch die Hauptstadt Sarajevo, Brčko im Nordosten, Zvornik sowie möglicherweise Prijedor im Nordwesten und weitere Städte. Den Kriegsparteien wird eine Zweiwochenfrist zur Annahme oder Ablehnung des Planes gesetzt. Der bis zuletzt zwischen Rußland und den westlichen Kontaktgruppen-Staaten umstrittene serbische Korridor durch die nordbosnische Posavina soll schmaler als derzeit bestehen bleiben.

Bei ihrem auf zwei Stunden anberaumten Treffen in der russischen UNO-Botschaft von Genf müssen die Außenminister noch einige Fragen klären. Denn nach der Fertigstellung des Planes durch hohe Beamte der Kontaktgruppen-Staaten in der letzten Woche in Paris hatte es zunächst geheißen, weitere Sachverhandlungen mit den Kriegsparteien und Veränderungen des Planes seien ausgeschlossen. Ein führender Vertreter der Clinton-Administration deutete am Sonntag jedoch an, der Plan könne durchaus noch korrigiert werden. Ende letzter Woche hatte der bosnische Premierminister Haris Silajdžić in Washington in Kenntnis des neuen Plans jegliches „Ultimatum“ an die von ihm vertretene Seite zurückgewiesen. Als Bedingung für eine Annahme verlangte er zudem eindeutige Garantien für die Umsetzung durch UNO, USA und Nato.

Kein Konsens herrschte bislang auch über die Maßnahmen, die im Falle einer Ablehnung durch eine oder gar durch beide Kriegsparteien ergriffen werden müßten. Die von Washington erwogene Aufhebung des Waffenembargos gegen die bosnische Regierung bei einem serbischen „Nein“ wird von Rußland, sowie abgeschwächter auch von Frankreich und Großbritannien, abgelehnt. Auch über andere, von der US-Regierung erwogene Maßnahmen, wie die verschärfte Durchsetzung des Flugverbots über Bosnien mit militärischen Mitteln oder Lufangriffe gegen serbische Einheiten, war sich die Kontaktgruppe bis gestern nicht einig. Umgekehrt wollte sich die Clinton-Administration bislang nicht endgültig festlegen auf die von Rußland verlangte und auch von Paris und London unterstützte Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen Serbien, sollte die bosnische Regierung den Plan zurückweisen, Karadžić aber „Ja“ sagen. Die deutsche Bundesregierung verwies zudem darauf, daß alle etwaigen Maßnahmen zur Durchsetzung des Planes vom UN- Sicherheitsrat und nicht von der Kontaktgruppe beschlossen werden müßten.

Nach der Sitzung am Nachmittag soll der Teilungsplan von Diplomaten der Kontaktgruppen- Staaten den Führern der Kriegsparteien vorgelegt und erläutert werden. Dazu werden in Genf Premierminister Silajdžić und der bosnische Präsident Alija Izetbegović, Serbenführer Karadžić sowie der Präsident der bosniakisch- kroatischen Föderation, Kresimir Žubak, erwartet. Andreas Zumach

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