: Kampieren im Unfreien Von Klaudia Brunst
Die schönste Zeit des Jahres planen wir gerne gründlich vor. Seit Wochen schon vermeldet meine Freundin täglich den Urlaubs- Countdown: Gestern waren es noch zwei Wochen, ein Tag und 15 Stunden. Zeit also, sich um die Details zu kümmern. Haben wir auch das Fieberthermometer für den Hund auf der Liste? Fehlte uns letztes Jahr nicht der Schnellverschluß für die Cidreflasche? Und überhaupt! Wie wird sich der Hund damit abfinden, daß er nicht mit uns in der Schlafkabine des neuen Hauszeltes nächtigen darf?
Seit Wochen hatte ich schon wiederkehrende Alpträume, in denen wir das neue Zelt auspacken und feststellen müssen, daß ausgerechnet die Firststange nicht beigepackt wurde. „Am besten, wir proben schon mal den Ernstfall“, schlug ich meiner Freundin letzte Woche vor. Aber wo soll man mitten in der Metropole einen Campingplatz finden? Im Grunewald ist generelles Campingverbot, und das großzügige Angebot unserer Kollegin, unsere Heimstatt auf ihrem Dachgarten aufzuschlagen, erschien uns dann doch irgendwie nicht praktikabel.
Am Ende entschlossen wir uns, den Übungsurlaub einfach im Wohnzimmer zu veranstalten. Erstaunlicherweise paßte das Zelt tatsächlich exakt zwischen Sofa und Fernseher. Zur Fixierung der Abspannseile boten sich die Bücherregale geradezu an, und – anders als im wirklichen Camper-Leben – die sanitären Anlagen waren bequem zu Fuß zu erreichen.
Die erste Nacht im neuen Zelt war natürlich noch etwas ungewohnt. Weil wir zur Simulation der realen Bedingungen die elektrischen Sicherungen herausgeschraubt hatten, wurde der nächtliche Weg in die Küche zum Abenteuer. Mit der Taschenlampe tasteten wir uns vor, fielen über diverse Wasserkästen und machten so unsere stets wachsame Nachbarin auf uns aufmerksam. Den Schein der Taschenlampe mutwillig mißdeutend, schaute sie sofort mit einem improvisierten Schlagwerkzeug nach dem rechten. Ansonsten war das Campen im Unfreien aber eigentlich ganz lustig. Zwar dauerte die Morgentoilette nun etwas länger, weil wir natürlich vor der Dusche anstehen mußten, und auch das Bereiten des Frühstückskaffees auf dem Zweiflammengaskocher war aus feuerpolizeilichen Gründen etwas mühsam – aber besonders die fernsehfreien Abende vor dem Zelt hatten durchaus etwas Romantisches. Allerdings beschwerten sich unsere Kollegen bald über unsere ungewohnte Unpünktlichkeit. Seit wir den Wecker in Ermangelung einer funktionstüchtigen Steckdose nicht mehr benutzen können, haben wir ein wenig das Zeitgefühl verloren.
„So ist Urlaub eben“, meinte meine Freundin gestern achselzuckend und räkelte sich zwischen Sofa und Bücherregal genüßlich in der mit dem Rotlicht simulierten Abendsonne. „Ist es nicht traurig, daß wir diese Idylle schon in zwei Wochen, einem Tag und fünfzehn Stunden wieder verlassen müssen?“ seufzte sie. Die Vorstellung, den Wagen schon so bald bei brütender Hitze mit den Klappstühlchen, den Luftmatratzen und dem ganzen anderen Krempel beladen zu müssen, machte uns alles andere als froh. „Und dann die weite Fahrt!“ stöhnte meine Freundin, während sie aus dem Sonnenöl die letzten Tropfen herausquetschte. „Ob wir nicht einfach noch eine Woche dranhängen sollen?“
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