Historischer Ladenhüter

■ betr.: „Kein Ort für Rot-Grün“, taz vom 25. 6. 94

Die Sprache ist ein ebenso wunderbares wie wundersames Verständigungsmittel, das leider, wenn JournalistInnen zu ParteigängerInnen werden, leicht zum Abführmittel werden kann.

Selbstverständlich hat Matthias Geis das Recht, sich mit der alten und unbewährten Formel „Rechts und links verhindern die Vernunft“ aus seinem analytischen Dilemma zu helfen. Das allerdings ausschließlich ein politisches ist. Denn er möchte so gerne, daß endlich, endlich die SPD wieder drankommt. Sie meldet sich doch schon so lange. Aber der Lehrer namens Wähler nimmt sie nicht dran.

Möglicherweise weil die Heroisierung dieses historischen Ladenhüters, wie sie Matthias Geis fabriziert, nicht ganz so attraktiv ist, wie er es gerne hätte: „Die SPD dagegen ist eine saubere, aufrechte Neugründung des oppositionellen Wende-Herbstes.“ Sauber? Aufrecht? Diese Begriffe haben wir doch schon einmal woanders gelesen und gehört. Sicher nicht sonderlich weit links.

Sauber? Aufrecht? Wie war das noch mit Herrn Stolpe? Und wie hieß noch der aufrechte Ost-Parteivorsitzende, dessen Namen heute kaum noch ein Mensch kennt? Die beste Voraussetzung für Teilhabe an Politik ist ein schlechtes Gedächtnis. Richard Kelber, Dortmund