piwik no script img

What's new, Bauer?

■ Tarmsteder Landwirtschaftsausstellung: Neue Trecker im Schatten des Rinderwahns

Viele bäuerlich rote Gesichter, grüne Mützen, Kling und Klang vom Grenzschutz-Musikkorps und die neuesten Super-Duper-Hitec-Trecker – gestern begannen in Tarmstedt bei Bremen die vier tollen Tage: Zum 46.Mal steigt die „Tarmstädter Ausstellung“, eine landwirtschaftliche Maschinen-, Geräte- und Tierschau, die dem kleinen Ort regelmäßig Besucherströme in fünfstelliger Höhe beschert. 1993 kamen 80.000. Auf 120.000 qm findet man beinahe das Sortiment von Horten, vom T-Shirt (“Kampftrinker“) über den Wohnzimmerofen bis zum abgepfiffensten Joggingschuh, aber auch die neueste Kuhbürstanlage und den elektrischen Holzhacker. Für die Kleinen gibt's das unumgängliche Hoppelkissen und Karussel plus Pommes Majo. Und die Landbevölkerung strömt.

Vielleicht das Attraktivste der Tarmstädter Schau ist fürs Landvolk jedoch das relativ geschlossene Weltbild, das sie vermittelt: Hier freut man sich noch über die ordnende und sinnstiftende Kraft des Militärs aus Westertimke gleich nebenan; hier posaunen unwidersprochen die Jäger „Ohne Jäger kein Wild“; hier wird, während jetzt auch die mittleren Betriebe dicht machen, dem neuesten Treckergiganten gehuldigt. Und Landrat Brunkhorst (CDU, was sonst) wünscht zur Eröffnung vor allem „Trinkfestigkeit“.

Zur Eröffnung sind Bauernschaft und Funktionäre unter sich, und hier werden dankenswert offen Worte gesprochen. Die programmatischen Sätze sprach in diesem Jahr Wilhelm Niemeyer, Präsident des Niedersächsischen Landvolkes. Er zeigte, wo's langgeht in der Landwirtschaft: Es gibt immer weniger und immer größere Betriebe, rationalisiert wird auf Teufel komm raus. Folgerichtig lobte Niemeyer die Bauern, die aufgeben (“betriebswirtschaftliche Weitsicht!“) und die anderen, die sich einen Nebenjob suchen. Das gute Beispiel: Eine Bäuerin, die nebenher mit englischem Tinnef dealt und damit 4000 Mark Netto machte, an einem Nachmittag!

Bauernfunktionär Niemeyer kam dann auch zum Punkt, der alle bewegt, über den man aber lieber nicht spricht: BSE. (“Rinderwahnsinn“ sagt man nicht.) Weg mit den britischen Zotteltieren, lautet die Devise seines Verbandes; er will aus der Landwirtschaftlichen Tierseuchenkasse die nach öffentlicher Einschätzung besonders gefährlichen aus England stammenden Rinder (Welsh Black, Galloway...) „herauskaufen“ und schlachten lassen. 20 Millionen würde die Maßnahme kosten und an die 10.000 Rinder betreffen. Flankierend hat man eine „AG Fleisch“ gegründet, die umgehend ein „Herkunftszeichen für deutsche Geburt“ entwerfen will: kauft nur deutsches Fleisch!

Wer jetzt zwischen dem Rinderwahn-Medienrummel (Chefkoch des Kieler Landtages kocht kein Rindfleisch mehr) und dem Notopfer der Bauernfunktionäre aufgerieben wird, ist zum Beispiel Walter Heller. Er steht mit seinen gewaltigen Welsh Black auf dem Gelände der Tierschau und ärgert sich maßlos. Der Ökobauer aus Ottersberg (150 Rinder) hält sein Vieh tiergerecht, zu fressen gibt es nur Gras, Heu und Silage, keine Intensivmast, kein Kunstdünger – und plötzlich fragt ihn jeder Schnösel nach Rinderwahn.

Für Heller ist klar: Leute wie Niemeyer sind Vertreter der Interessen der Massentierhalter und Fleischdealer, die die lästige Konkurrenz der Ökozüchter eben mal ausschalten wollen. Gefährlich an Leuten wie Heller ist für die Massentierhalter vor allem dies: sie streben die Direktvermarktund des Fleisches an und bedrohen somit den mächtigen Zwischenhandel.

Doch soll man, darf man Rindfleisch überhaupt noch essen? Fachliche Antwort sucht man beim Stand der Verbraucherberatung Zeven vergeblich. Auch hier nur Ratlosigkeit – Herr Peper: „Wir sind zurückhaltend.“ Eben erfuhr er von einem Standbesucher, daß der schon keine Götterspeise mehr ißt, weil die Gelantine aus infizierten Rinderresten sein könnte. Peper empfiehlt, im Zweifel kein Rindfleisch zu essen. (Danke!) Die Verbraucherzentrale hat im Prinzip ein Kochbuch mit Fleischfrei-Rezepten. Das ist aber leider vergriffen.

Während die Wuschelkühe ihre notorischen traurigen Blicke werfen,denkt der Ausstellungsbesucher an den letzten Rat der Verbraucherberater: Schweine sind unbedenklich. Die Hochleistungssauen und Prachteber fehlen allerdins in Tarmstedt - Schweinepest!

Burkhard Straßmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen