Krieg macht kaputt und tot

■ Binsenweitheiten zum Thema Bosnien: Uraufführung des Stücks „Gebrochenes Glas“ im Kulturhaus Spandau

„Ich weiß, ich bin geschwätzig“, gibt der Protagonist am Ende seiner Vorstellung zu – und hat damit einfach recht. Eineinhalb Stunden hat er die wenigen Zuhörer und -schauer (zu schauen gab es ohnehin nicht viel) mit einem Monolog dermaßen gelangweilt, daß Augen und Ohren nur noch durch die gewaltsame Erinnerung an die Pflicht der journalistischen Berichterstattung offenzuhalten waren.

Zu bösartig darf die Chronistin aber nicht sein, denn es geht ja um ein gar prekäres Thema: Bosnien, bzw. den Krieg, der dort tobt. Und auch wenn es zweierlei ist, sich über das Leid des Krieges oder über ein stockschlechtes Theaterstück einer bosnischen Emigrantin zu äußern, ist ein Verriß in der Regel fast genauso geächtet wie einst Witze über jüdische Showmaster im deutschen Fernsehen.

Doch was ist es nun, was das angestrengte Ohr und der dazugehörige Kopf neunzig Minuten ertragen mußten? Hartmut Krug, seines Zeichens Schauspieler, markige Gesichtszüge wie Klaus-Maria Brandauer, erzählt Geschichten; dreizehn an der Zahl, so die offizielle Auskunft – mitzuzählen habe ich aufgegeben.

Das Gemeinsame aller Menschen, die da in der Gestalt eines einzigen vertreten werden, ist ihr Schicksal: Der Krieg in Bosnien ist unerwartet über sie hereingebrochen und hat ihr Leben – wie nicht anders zu erwarten – radikal und negativ verändert. Soweit nichts Neues.

Sie, beziehungsweise der dreizehnfach aufgespaltene Schauspieler, treten vor die Bühne und beginnen ihre Vorstellung mit einer Vorstellung: „Ich heiße Vater“ oder auch „Ich heiße Mutter“ oder dann „Ich heiße Kind“ (wahlweise einzufügen sind „Frau“, Soldat“, „Baby“ etc.). Sie alle waren immer „politisch nicht interessiert“, haben „keine Nachrichten gesehen“ und hatten Mutter, Vater, Kind oder was auch immer, ein kleines Haus, ein kleines Einkommen und generell ein nettes Leben.

Dann kam der Krieg, und alles ist seither kaputt: das Haus zerstört, der Vater tot, das Kind verkrüppelt.

Hartmut Krug erzählt dies vor dem ewiggleichen Bühnenbild, einer staniolverkleideten Pappwand im Hintergrund (O-Ton Bühnenbildner Goran Duzević, Ehemann der Autorin und Regisseurin Sladjana: „Eigentlich sollten da noch zerbrochene Spiegel hin, aber die Künstlerförderung hat uns zuwenig Geld gegeben“), und schlüpft flink, mal mit Jackett, mal ohne, mal mit Krawatte, mal ohne, in die Rolle der Kriegsopfer.

Mann entblödet sich auch nicht, kurzerhand in die Rolle eines vergewaltigten Mädchens zu schlüpfen, das „zwischen den Beinen“ viel Blut verliert und am liebsten so viel verlieren möchte, daß es bald stirbt. Aber das lag auch wieder an der Künstlerförderung, denn die hatte nicht genug Geld für eine Schauspielerin...

Über den Krieg erfährt der wißbegierige Zuschauer dann Plattitüden oder bloße Schuldzuweisungen von einer an die andere Seite: „Sie haben auf uns geschossen, wir haben zurückgeschossen“ (mindestens fünfmal im Text!) oder „Da unten sagen sie: Mach mich nicht nervös, sonst müssen sie dich mit dem Löffel zusammenkratzen“, verstärkt durch den genialen (ironischen?!) Nachsatz: „Da unten gibt es viele Löffel!“

Aus Flüchtlingskreisen ist der Autorin dieses Artikels bekannt, daß die „Betroffenen“ einen Theaterbesuch vermeiden, da sie bereits vorher Kenntnisse über die Qualität des Stückes hatten. Nach qualvollem Ausharren im Theatersitz serviert der Schauspieler am Schluß die Krönung: An die leeren Stuhlreihen gewandt, empfiehlt er dem Publikum, den obersten Hemdknopf aufzumachen, das „Böse rauszulassen und es gemeinsam im Theater einzusperren“: „Versucht zu vergessen, und erzählt nichts euren Kindern.“

Aber das ging ja nun leider nicht, der Chronistenpflicht mußte, wie schon erwähnt, Genüge getan werden. Erst jetzt, da es darniedergeschrieben ist, soll dieser letzten Aufforderung des Spielers mit leichtem Herzen Folge geleistet werden! Elke Eckert

„Gebrochenes Glas“ im Theater im Kulturhaus Spandau, Mauersstraße 6, 13597 Berlin, Donnerstag bis Sonntag jeweils um 20 Uhr, Freitag, 15. Juli: Eröffnung der Ausstellung „Gebrochenes Glas“ des Bühnenbildners Goran Duzević, 19 Uhr.