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Bahrenfeld: Bürgerwehr steht am Feuchtbiotop

■ Bürgerprotest gegen Bauwagenburg am Bahrenfelder See / Der reale Bahrenfelder ruft nach action, der noch entfernte Bauwägler plädiert für den Dialog

Der Bahrenfelder Bürger ist empört: „Wenn wir die hier herlassen, breiten sie sich am ganzen See aus.“ Und: „Ja, die scheißen uns alles voll.“ Weiter: „Und dann rattern die abends mit ihren Treckern durch den Park zum Bier holen.“ Eine alte Dame: „Ich kenne arme Leute, aber die sind sauber. Muß man denn so schmutzig sein!“ 100 Bahrenfelder haben gestern mittag mit einer symbolischen Parkbesetzung gegen die Errichtung der Bauwagenburg „Camp Toulouse“ am Bahrenfelder See protestiert.“

Auslöser der Proteste sind Pläne des Bezirksamtes Altona, die BewohnerInnen der Bauwagenburg an der Behringstraße kurzfristig nach Bahrenfeld umzusiedeln. Hintergrund: Das Sprinkenhof-Gelände, auf dem die Bauwägler seit vier Jahren leben, soll mit einem Gewerbehof bebaut werden (die taz berichtete).

Der Zorn der offiziellen Bürgervertreter klingt zunächst moderat, ja, eher besorgt. Sprecher Ulrich Paschen: „Wir haben starke Bedenken, es gibt hier keine sanitären Anlagen wie Wasser, Strom oder Toiletten.“ Auch sei der Krach unerträglich. „Er hört nie auf – auch nachts hört er nie auf“, so Paschen. Die Bahrenfelder Bürger hätten es mit sehr viel Aufwand geschafft, den Grünstreifen an der Autobahn zu erhalten. Paschen: „Das letzte Handtuch, was uns geblieben ist.“

Und auch der CDU-Abgeordnete Volker Okun ist zurückhaltend: „Wir haben nichts gegen die Leute, die diesen Lebenstil haben.“ Doch dann reden sich auch die Offiziellen langsam in Rage. Denn die Devise heißt: „Nicht bei uns!“ Okun: „Wenn hier ein kleiner Finger hingestreckt wird, dann wird schnell die ganze Hand genommen oder der Arm abgerissen.“ Und der Stattpartei-Sprecher Hans Holzinger: „Wir wollen nicht, daß Bahrenfeld der Mülleimer Altonas wird.“

Nicht nur die Angst um die Kinder, wegen der unheimlichen Menschen, selbst die Fledermaus muß herhalten. Werner Smolnik vom altoner Naturschutzbund (Nabu) befürchtet, daß seltene Tieraten – wie die rote Fledermaus – aus dem Biotop verschinden würden, wenn 50 Bauwagen kämen. Werner Smolink: „Es sind ohnehin schon weniger geworden, nachdem einige Vandalen bereits dahinten am See campieren.“

Der Vertreter des Camp Toulouse kann des Volkes Zorn – trotz stichhaltiger Argumente – und obwohl er sogar für des Bürgers Ängste und Sorgen Verständnis aufbringt, kaum bändigen: „Ich kann den Bürgerprotest durchaus verstehen. Für uns ist das nur eine vorübergehende Lösung, die uns aufgenötigt worden ist. Spätestens in drei Monaten sind wir wieder weg.“ Und dann fallen einigen BahrenfelderInnen die Kinnladen herunter, als der „Baui“ erläutert, daß der Bezirk Sanitärwagen bereitstelle. „Und den Strom, den wir brauchen, erzeugen wir durch unsere Solaranlagen, die wir alle auf den Dächern haben.“

Der Vorbote weiter: „Wir laden alle Kinder in unsere Wagenburg ein, um bei uns zu spielen“. „Nein das wolln wir nicht“, so der Zwischenruf einer Bürgerin. Der Bauwagenbewohner selbst betrachtet die Situation als eine „Herausforderung, unsere Lebensart zu präsentieren.“ Doch um sich intensiv mit diesem Lebensstil auseinanderzusetzen, dafür braucht der Bahrenfelder Bürger noch Zeit: „Dieser Platz ist unser Platz, den wollen wir behalten, notfalls ziehen wir mit unseren Wagen hier vor, um unseren See zu verteidigen.“

Kai von Appen

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