■ Eine Münchner Gesellschaft ist gegen das Sterben:: „Ewiges Leben für alle!“
Essen (taz) – Keine Lust, nach den von Statistikerin zugestandenen 75 Jahren den Löffel abzugeben? Kein Problem: Wer ewig leben will, der kann das auch. Das zumindest behauptet Otto Siegel von der Münchner Gesellschaft „People Forever International“: „Wir haben körperlich erheblich mehr drauf als nur 70 oder 80 Jahre und können problemlos darüber hinaus gesund und munter bleiben, denn unsere Zellen sind in der Lage, sich zu regenerieren – wenn wir es nur wollen.“
Neben ihm sind noch eine ganze Menge anderer Menschen davon überzeugt, daß der Mensch zum Sterben zu schade ist. Die Konsequenz daraus ist die Forderung, die Spaltung von Körper und Geist im Bewußtsein des Menschen müsse ein Ende haben, denn sie bedeutet letztendlich den Tod. Den geistigen Unterbau für diese phantastisch erscheinende Theorie liefert unter dem Etikett „Psychoneuroimmunologie“ eine Integration von Natur- und Geisteswissenschaften. Siegel dazu: „Aus den Naturwissenschaften wissen wir, daß Zellen sich sehr oft und sehr lange erneuern können. Was bisher fehlt, ist ein mentales Konzept dahinter.“ Bestes Beispiel dafür: Krebskranke, die von den Ärzten längst aufgegeben wurden und plötzlich solche Selbstheilungskräfte entwickeln, daß sie entgegen allen Diagnosen doch überleben. Klar, daß solch abweichlerische Thesen von der kausal orientierten Schulmedizin als Spinnerei abgetan werden. „Um mich herum sehe ich eine massenhafte Ignoranz“, klagt der studierte Biologe. „Die Leute interessieren sich mehr für den achten Jupitermond als für die eigene Leber.“ Das Gegenkonzept: die totale Übernahme der Verantwortung für den eigenen Geist und Körper.
Ihren Ursprung hat die Unsterblichkeitsbewegung im US- Bundesstaat Arizona, wo vor dreißig Jahren drei Amerikaner die Idee entwickelten, sich zur Erlangung ewigen Lebens nicht länger auf Äußerlichkeiten zu konzentrieren und den Jungbrunnen statt dessen im eigenen Kopf zu suchen. In Deutschland wollen bislang einige hundert Ehrgeizige dem Tod ein Schnippchen schlagen, doch weltweit sind es bereits an die 10.000 Todesmüde. Um mehr Menschen von der eigentlich recht simplen Grundidee zu überzeugen, veranstaltet die deutsche Sektion von „People Forever International“ deshalb regelmäßig öffentliche Foren.
Der 44jährige Siegel, der seinen Lebensunterhalt als Managementtrainer verdient, verfolgt seine Unsterblichkeit rein als Hobby. Er betont, daß es sich nicht um einen Verein, sondern lediglich um eine Gesellschaft handle, die weder Mitglieder habe noch Beiträge erhebe: „Jede Art von Zwang ist unserer auf Freiwilligkeit beruhenden Philosophie abträglich.“ Deshalb weist er auch jegliche religiöse Dimension weit von sich und legt Wert auf die Feststellung, daß seine Gesellschaft keine Sekte sei. Eine gewisse Geistesverwandtschaft bestehe hingegen zur New- Age- und Esoterik-Bewegung, die ihm jedoch zu unverbindlich und visionär ist. Und die lebenden Beweise für das Funktionieren des Konzepts? Siegel: „Noch haben wir keinen 200- oder 400jährigen unter uns, denn die Bewegung existiert in Deutschland erst seit fünf Jahren.“ Ein weiterer Punkt, der die unverbindliche Philosophie der „People Forever International“ so einfach wie genial macht: Sie läßt sich weder beweisen noch widerlegen, und wenn einer der angeblich Unsterblichen doch sterben sollte, hat er oder sie eben etwas falsch gemacht, wollte nicht mehr leben. Wir sprechen uns wieder – in hundert Jahren... Joachim Hiller
Kontakt: Phoenix-Gesellschaft, Pestalozzistraße 50/RG, 80469 München, Tel. 089-23 11 15 11
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