piwik no script img

Mit 16 zu alt für den Sieg mit 16

■ Freund oder Feind? / Weltbeste Tennisteenies kämpfen auf Bremer Turnier

Da schimpfe noch jemand über die Jugend! Auf die hundertzwanzig 14-16Jährigen, die seit gestern auf der Anlage des TV „Werder“ im Ozon einem gelben Ball nachjagen, sind die Eltern jedenfalls stolz. Vielleicht entwickelt sich ja der Bub zum Bobbele, die Tochter zur Gräfin?

Vom 26. bis 30. Juli wird zum zehnten Mal der „Werder-Sparkasse-Cup“ ausgetragen. Was 1984 mit einem Ferienturnier für Daheimgebliebene begann, ist heute ein von der European Tennis Association (ETA) anerkanntes internationales Turnier mit hochkarätiger Besetzung. Garantiert wird die Spielstärke durch die Einstufung in die „Promotion“-Kategorie. Die TeilnehmerInnen müssen Listenplätze vorweisen, ohne nachgewiesene Turniererfolge gibts auch keinen Werder-Cup.

Dahinter wiederum steckt weder ein Supergewinn noch wie weiland ein Badetuch mit Werder-Emblem. Die weltweit gültige Regel, derzufolge Jugendlichen maximal 300-Dollar-Preise überreicht werden dürfen, wird, behaupten InsiderInnen, nur selten umgangen. Die hiesigen CupsiegerInnen erwartet ein schlichter Silberbarren (170 Mark), die Turnierzweiten ein Bergkristall. Klar ist, daß sie dafür nicht aus aller Welt an die Biermannstraße reisen. Warum junge Tenniscracks in Australien, Grobritannien, Rußland, Ukraine und Kasachstan, Südost-Asien, den Niederlanden die Koffer packten, erklärt sich über die möglichen Welt- und Europaranglistenpunkte, die sie hier zu sammeln hoffen.

Doch vor den Sieg hat das Spiel die Arbeit gesetzt. „Das ist doch keine Einstellung“ beschimpft Simon Stöckich soeben Simon Stöckich. Der 16-jährige Wiesbadener, 27. auf der deutschen Liste seiner Altersklasse (AK II), kämpft ein hartes Match gegen den gleichaltrigen Bremer Sebastian Röhler (AK II 141). Der ist seit seinem 6. Lebensjahr dabei, begann aber erst vor zwei Jahren mit Turnieren. „Bei der Größe mußte erstmal der Körper aufgebaut werden“ sagt sein Trainer, und zu Simons Vater gewandt: „Dein Sohn spielt gut, aber er müßte für die Kondition mal Fußballspielen.“

Simons Nerven versagen. Technisch ist er eigentlich stärker als sein Kontrahent, obwohl er weniger trainiert. Seit seinem vierten Lebensjahr spielt er Tennis, und das aus purem Spaß. „Simon ist eigentlich faul, der lebt von seinem Händchen“, lächelt der Vater, bemängelt aber im selben Augenblick, daß andere Spieler bessere Chancen bekommen, weil der Verband sich ihrer schon als Kinder annahm. Unter den Fittichen des Verbandes sind die Trainingsmöglichkeiten besser, für die Vater Stöckich im vergangenen Jahr allein circa 10.000 Mark berappen mußte. Für Verbandsschützlinge sind auch die Chancen größer, an punkteträchtigen Turnieren teilzunehmen, und, was noch wichtiger ist, dabei Kontakte aufbauen. „Bei besseren Beziehungen käme ich besser in die Herrenklasse rein“, bedauert Simon das beziehungsgedopte Turnier-Einladungssystem.

Aus diesen Gründen hat Simon den Traum von großen Beckertrophäen schon aufgegeben: „Dafür bin ich zu alt“, konstatiert nüchtern der 16-Jährige. Sein Wunsch ist, „mal in der Regional- oder Bundesliga zu spielen.“ Der Vater nimmt's gelassen. Er gehört nicht zu denen, die ihre Kinder zum Schläger prügeln. „Man muß aufpassen“, warnt er. „Der Simon hat wegen der vielen Termine schon wenig Freunde, die Kontakte zu seinen Schulkameraden sind ziemlich dünn.“ Und was ist mit Freundschaften im Sport? „Im Tennis gibts keine Freundschaften, weil alle Konkurrenten sind.“

Rudolf Hickel, der sich anläßlich seiner ungewöhnlichen Funktion als Pressesprecher des Turniers den „Professor Dr.“ vom Namensschild geschminkt hat, bedauert diese Entwicklung des Sports: „Die Kinder treten hier teilweise auf wie Erwachsene. Das sind egozentrische Monomanen, besessen vom Leistungsziel. Andererseits: Wenn ich sehe, wie diese Jugendlichen spielen, bleibt mir die Spucke weg.“

dah

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen