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Don Quichotte reitet in Nordfriesland

■ Öko gegen Öko: Streit um Ausbau der Windenergie in Schleswig-Holstein Von Marco Carini

Against the wind - we are running against the wind. Der Ohrwurm des Rockpoeten Bob Seeger ist zum Motto der nordfriesischen Gemeinderäte geworden. Unter der Führerschaft des nordfriesischen Landrats Olaf Bastian (CDU) kämpfen sie, Don Quichotte gleich, gegen eine Invasion der Windkraft. Ein Gemeinderat spricht gar vom „Krieg um den Wind“.

Zielscheibe ist ein Bundestagsbeschluß vom 23. Juni, in dem die Bonner Koalition im Eilverfahren eine Änderung des Bundesbaugesetzes durchpeitschte. Danach sollen Windkraftanlagen im Außenbereich der Ortslagen, in denen kein Bebauungsplan gilt, als privilegierte Vorhaben bevorzugt genehmigt werden. Der nordfriesische Landrat Olaf Bastian weiß: „Im Klartext bedeutet das, daß jeder, der im Außenbereich einen Hof oder einen Garten besitzt, Anspruch auf Genehmigung einer Windkraftanlage hat, ohne daß die Gemeinde hierauf Einfluß nehmen kann. Die Folge wäre ein unkontrollierter Wildwuchs“.

Mit markigen Worten stilisieren die Gemeinderäte die Novelle zu einer „Schicksalsfrage für den Kreis“ hoch. Sie warnen vor einer „visuellen Verletzung“, vor „planloser Zersiedlung“ und „industrieller Überformung“ der Landschaft. Dabei plagt die Küstengemeinden vor allem die Angst vor Einbußen im Tourismus. Bastian: „Wer hat schon Lust, in einem Industriepark Urlaub zu machen.“

Die Folge: 126 der 137 nordfriesischen Gemeinden haben bereits eine Resolution gegen die Gesetzesänderung unterzeichnet, die der Bundesrat auf Initiative Schleswig-Holsteins inzwischen in den Vermittlungsausschuß überwiesen hat. Dort soll am 31. August die Entscheidung fallen.

Verkehrte Welt. Während die Bonner CDU auf den massiven Ausbau der Windkraft in Norddeutschland setzt, warnen neben den Gemeindevertretern vor allem Umweltverbände vor dem Wildwuchs der Windkraft. Der Landesnaturschutzverband befürchtet eine „Wirtschaftsförderung zu Lasten der Natur“ und den Verlust „wertvoller Vogelbrutplätze“.

„Entschiedene Ablehnung“ formuliert auch der Bund für Umwelt und Naturschutz: Natur- und Landschaftsschutz würden dem „Beschleunigungsgesetz“ geopfert, die Akzeptanz der Bevölkerung bliebe auf der Strecke. Nur die schleswig-holsteinischen Grünen „begrüßen das Gesetz“, da „der Ausbau regenerativer Energiequellen dringend erforderlich“ sei.

Für die Deutsche Gesellschaft für Windenergie aber sind die düsteren Zukunftsvisionen „an den Haaren herbeigezogen“. Sie betont: „Die Behauptung, ein Wildwuchs von Windkraftanlagen sei nun in Schleswig-Holstein zu erwarten, hält der Überprüfung nicht stand. Nach wie vor ist bei der Genehmigung von Bauanträgen zu prüfen, ob öffentliche Belange dem Vorhaben entgegen stehen.“

Die Gesellschaft kritisiert vor allem die Ablehnung des Entwurfs durch Kiels Energieminister Claus Möller: „Wer sich zum Ziel gesetzt hat, erneuerbare Energien verstärkt zu nutzen, der kann nicht gleichzeitig Erleichterungen im Baurecht verhindern wollen.“

Die Kieler Regierung aber befürchtet, daß die Gesetzesnovelle dem Ausbau der Windkraft „einen Bärendienst erweisen“ würde, da sie „die Planungshoheit der Gemeinden unterläuft und Widerstand mobilisiert“. Klaus Kramer, Sprecher des Energieministeriums: „Wenn die Gemeinden sich stur stellen und eine Veränderungssperre beschließen, können überhaupt keine Windanlagen mehr gebaut werden.“ Nur durch eine „Akzeptanz vor Ort“ ließe sich das Ziel erreichen, bis zum Jahr 2010 in Schleswig-Holstein 2000 Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 1200 Megawatt, einem Viertel des schleswig-holsteinischen Stromverbrauchs, aufzustellen.

Doch auch dieses scheinbar ambitionierte Ziel ist nur mit einem Tritt auf die Bremse zu erreichen: Denn schon heute liegen der Landesregierung Anträge von Windkraftbetreibern vor, deren Genehmigung noch in wenigen Jahren einen Ausbau der Windenergie auf 1400 Megawatt garantieren würde.

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