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Das richtige Leben üben

■ Straffälligenbetreuung / Übergangswohnhaus jetzt finanziell gesichert

Klaus Weber hat einen schwierigen Job: Er ist einerseits Berater für acht aus der Haft entlassene Männer, andererseits fungiert er als Vermieter, der dafür Sorge trägt, daß die Leute nicht allzulange wohnen bleiben. Sein Büro liegt im Keller des von der Bremer Straffälligenbetreuung eingerichteten Wohnprojektes Rembertistraße 5. „Haus am Bischofstor“ steht in großen Lettern überm Eingang.

Hört man die Bewohner, ist das durchaus ein gutes Omen: Wolfgang M.*ist heilfroh, hier untergekommen zu sein. Seine Wohnung konnte er über die dreijährige Haftzeit nicht halten. Die monatelange Wohnungssuche während der Freigängerzeit führte zwar einmal zum Erfolg, doch der Mietpreis von 750 Mark scheiterte an der Bewilligungsgrenze des Sozialamtes. „Gespartes hatte ich nicht, im Knast kann man nicht sparen. Darum kann ich auch keine Maklergebühren oder Deponate zahlen.“ Wolfgang M. wäre auf die Straße entlassen worden, wenn er nicht das Glück gehabt hätte, einen allgemein von mindestens zehn Kollegen umworbenen Platz im Wohnprojekt zu ergattern.

„Wenn es dieses Haus nicht gäbe, wäre mein Antrag auf Halbstrafe den Bach runtergegangen“, erinnert sich Thorsten W.*. Die feste Adresse begünstigte seine Sozialprognose, sodaß er vorzeitig entlassen wurde und anschließend acht Monate im Wohnprojekt lebte. Damit überzog er die im Übergangsheim maximal vorgesehene Präsenz um zwei Monate, doch der enge Wohnungsmarkt verhindert die schnelle Ablösung der Bewohner.

Mitte Juli gelang es Thorsten W. sowie sieben weiteren (47%) von 17 Ex-Bewohnern, eine eigene Wonung zu finden. Die anderen kamen bei Freunden unter, in Notunterkünften, oder aber sie machen Platte, was die beste Voraussetzung ist, erneut straffällig zu werden. „Aktiv straffällig wird von hier aus niemand“, resumiert Klaus Weber seine zehnjährige Erfahrung, „allenfalls ein akut Drogenabhängiger.“ Doch das ist selten der Fall, denn aufgenommen werden Methadon-Substituierte, aber keine Junkies. Sie setzen eine Betreuungsintensität voraus, die die Grenzen des mit nur einer festen Stelle, einem ABM-Hausmeister und einem Zivi dürftig besetzten Wohnprojektes sprengen würde. Immerhin sind seit wenigen Tagen die Finanzen gesichert: Nachdem der Senator für Soziales einen Antrag der Straffälligenhilfe auf Pflegesatzfinanzierung des Projektes mehrere Jahre verschleppt hatte, bewilligte er vergangene Woche einen Pflegesatz von 43 Mark. „Das ist sensationell niedrig“, kommentiert Klaus Weber, „andere kriegen 90 bis 120 Mark. Aber es ist besser als nichts.“

Knappe Mittel – große Wirkung. Anders als etwa Obdachlosenunterkünfte gilt die Rembertistraße weder bei NachbarInnen, noch bei Arbeitgebern als verrufen. Während die Arbeitsvermittlung ehemaliger Häftlinge aufgrund der Mittelstreichungen auf dem zweiten und dritten Arbeitsmarkt allgemein gegen Null tendiert, konnten im vergangenen Jahr neun von 25 Bewohnern des Remberti-Hauses in ein vorübergehendes, vier in ein festes Arbeitsverhältnis eintreten. Auch Thorsten W. hat einen festen Job: „Solche Einrichtungen sind ungeheuer wichtig“, wiederholt er und kritisiert „Leute wie diesen Sparkassenchef Rebers, die alles, was ihnen nicht paßt, an den Rand drängen wollen. Die produzieren soziale Brennpunkte“.

Aber ist nicht auch das Übergangsheim zuweilen ein solcher? Immerhin müssen hier Männer, denen das Sozialverhalten im Knast eher abtrainiert wurde, mit anderen Bewohnern Küche und Bad teilen, müssen so „wesensfremde“ Tätigkeiten verrichten wie Zimmer putzen. Natürlich gibt es schon aufgrund der Enge zuweilen Auseinandersetzungen, räumt Klaus Weber ein. Da ist mal die Musik zu laut, dort hinterläßt jemand Dreck. „Ganz normale Probleme, wie sie überall auftauchen, wo Menschen dicht zusammenwohnen“, urteilt Thorsten W. Damit ohne Hilfe von außen fertigzuwerden, ist eins der Ziele, die das Wohnprojekt verfolgt. Es ist eine Vorbereitung auf das ganz normale bürgerliche Leben, das, so Klaus Weber, „jeder führen will, der hierherkommt.“

dah

Name von der Red. geändert

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