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Hungern für bessere Haftbedingungen

■ Protestaktionen gegen Hitze im Tegeler Knast weiten sich zu Hungerstreik aus / 60 bis 80 Insassen verweigern Nahrung

Im Langstrafer-Haus III im Männerknast Tegel brodelt es. Am Montag haben rund achtzig Gefangene die Arbeit verweigert, seit Dienstag befinden sich zahlreiche Insassen im Hungerstreik. Auslöser für die Prostestaktionen war die unzumutbare Hitze in den Zellentrakten. Tatsächlich geht es aber um mehr. Die Gefangenen fordern eine Gleichbehandlung mit den Insassen der Neubauhäuser V und VI, die wesentlich großzügigere Freistunden- und Zellenaufschlußzeiten haben. „Wir sind total bedient“, erklärte einer der Hungerstreikenden gestern gegenüber der taz. Die Stimmung im Haus III sei jedoch sehr ruhig. „Wir wollen keine Eskalation und keine Gewalt.“ Aber die Insassen seien wild entschlossen durchzuhalten, einige hätten bereits mit einem Durststreik gedroht.

Den Gefangenen zufolge beteiligen sich an dem Hungerstreik sechzig bis achtzig Insassen. Der Tegeler Anstaltsleiter Klaus Lange-Lehngut sprach dagegen von vierzig, außerdem seien acht Männer gestern erneut nicht zur Arbeit gegangen. Lange-Lehngut bestätigte, daß die Protestaktionen bislang sehr ruhig verlaufen seien, zeigte sich bei den Forderungen nach einer Gleichbehandlung jedoch zu keinerlei Zugeständnissen bereit. Die durch die Hitze entstandenen Probleme habe die Anstalt „erledigt“, indem die Insassen nun kalten Tee bekämen und die Zellen in den Häusern I, II, und III sonntags zusätzlich für 90 Minuten zum Lüften geöffnet würden. Alle weiteren Forderungen seien jedoch „erpresserisch“. Denn „Bumszellen und Einzelfernsehgenehmigungen“ hätten nichts mit der Hitze zu tun.

Um den Unmut der Gefangenen zu verstehen, bedarf es einer Rückblende. 1993 beschloß die Regierungskoalition ein neues Konzept für den Tegeler Knast. Die rund 1.200 Insassen werden seither in zwei Bereiche unterteilt: die sogenannten Drogenkonsumenten wurden in die alten Häuser I, II, und III verfrachtet, die angeblichen Nicht-Drogenkonsumenten in die Neubauten V und VI. Die Differenzierung wurde damit begründet, Drogenhandel und Geschäftemacherei würden so eingedämmt. In der Praxis sind aber weiterhin in allen Häusern Drogen zu finden – oder werden von den Insassen abgelehnt. Von den rund 850 Gefangenen in den Häusern I, II und III sind nach Schätzung von Vollzugsleiter Günter Schmidt- Fich rund die Hälfte Nicht-Drogenkonsumenten. Die Unterteilung nach „gut“ und „böse“ sieht so aus, daß die „Guten“ in den Häusern V und VI mehr Freistunden und längere Zellenaufschlußzeiten haben. Im Sommer können sie z.B. wochentags von 17.30 bis 20 Uhr und am Wochenende von 14.20 bis 16.20 Uhr auf den Hof. Und an den Wochenenden dürfen sie sich bis 22 Uhr frei in ihren Häusern bewegen, während die „Bösen“ bereits seit 16.30 Uhr hinter Schloß und Riegel schmoren.

Bündnis 90/Die Grünen drohten gestern, eine Sondersitzung des Rechtsausschusses zu beantragen, wenn die Forderungen der Gefangenen nicht schnellstmöglich umgesetzt würden. Demgegenüber versuchte der Gesamtinsassensprecher Michael Rückert den Streik als Einzelaktion von „zwei bis drei verblendeten Anarchos“ zu denunzieren, die damit nur ihre eigenen Interessen durchsetzen wollten. Plutonia Plarre

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