piwik no script img

Schnoors „Topagent“ lieferte auch für Autonome

■ Kampfsportlehrer war nicht wählerisch beim Verkauf seiner Informationen / Vor dem Landgericht wurde er von bekanntem Rechtsextremisten schwer beschuldigt

Düsseldorf (taz) – Als „zuverlässig und nachrichtenehrlich“ hat Düsseldorfs Innenminister Herbert Schnoor seinen Solinger V-Mann Bernd Schmitt noch vor wenigen Wochen hoch gelobt.

Vielleicht ein wenig voreilig, denn Schmitt hat auch andere bedient. So belieferte der V-Mann nach einem Bericht des WDR- Fernsehens auch die autonome Szene. In einem Film trat ein vermummter Zeuge auf und sagte, daß Schmitt gegen 50 Mark eine Namensliste von „Republikaner“- Mitgliedern rübergeschoben habe. Von den Reps wiederum ließ sich der Karatelehrer mehrmals zum Schutz von Veranstaltungen anheuern.

Das Innenministerium reagierte gestern cool. Von den Kontaken zur linken Szene habe man seit langem gewußt. Herbert Schnoors Sprecher Johannes Winkel gegenüber der taz: „Wir bleiben bei unserer Bewertung des V-Manns. Für uns kam es darauf an, daß Schmitt auf dem Sofa von Meinolf Schönborn (Vorsitzender der verbotenen „Nationalistischen Front“, d.R.) saß und uns darüber berichtete. Dabei war er „nachrichtenehrlich“.

Zusätzlich geriet Innenminister Schnoor gestern durch eine Zeugenaussage vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht unter Druck. Seine Darstellung, V-Mann Schmitt habe sich zwar „szenetypisch“ im rechten Milieu verhalten, „er war aber kein Rechtsextremist“, stieß auf heftigen Widerspruch eines Zeugen.

Der bekannte Solinger Rechtsextremist Bernd Koch entwarf vor dem 6. Strafsenat ein völlig anderes Bild. Unter Eid sagte Koch aus, der V-Mann habe sich in seiner Kampfsportschule als fanatischer Ausländerhasser zu erkennen gegeben. Sprüche wie „man müsse allen Ausländern den Kopf abreißen“ oder „ab in den Ofen damit“ seien bei ihm an der Tagesordnung gewesen.

Einmal habe der V-Mann sogar vorgeschlagen, man müsse mal in ein „Kanakengeschäft“ in der Solinger Innenstadt eindringen und dort „alles zusammenschlagen“.

Koch sagte ferner aus, Schmitt habe ihm verboten, in der Kampfsportschule Hak Pao politische Agitation zu betreiben. War der V-Mann also der rechtsradikale Agitator, oder kann man die Aussage Kochs, der von Schmitt mehrmals bedroht worden sein soll, unter der Rubrik „Rache für den Verrat“ abbuchen? Schmitt selbst hatte sich vorgestern im Gerichtssaal noch als „unpolitisch“ bezeichnet. Rechte Parolen oder ausländerfeindliche Sprüche habe er nie gemacht. „So etwas liegt nicht in meiner Wesensart“, sagte er.

Mit einer überraschenden Mitteilung sorgte gestern noch ein Zeuge für Aufregung. Wolfgang Schlösser, früherer FAP-Aktivist und enger Weggefährte von V-Mann Schmitt, sagte aus, in der rechten Kampfsportschule hätten regelmäßig mehrere Mitglieder der BGS-Elitegruppe GSG 9 trainiert. Schlösser selbst, der in Solingen jahrelang zur harten rechten Szene zählte, sagte, daß er sich nach dem Brandanschlag völlig von der Politik verabschiedet habe. Seine Aussagen nahm das Gericht unkommentiert zur Kenntnis.

Zur Zeit ist nur so viel gewiß: einer von beiden hat gelogen. Jedoch gehören Verwirrspiele dieser Art seit Beginn der Düsseldorfer Hauptverhandlung zum Prozeßalltag. Walter Jakobs

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen