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Kohl bleibt Kanzler!?

■ Thomas Freitag in den Kammerspielen

Die Bühne eine miefige alte Turnhalle, in der der vollschlanke Kabarettist Thomas Freitag am Donnerstag in den Kammerspielen sein sportlich-intelligentes Programm Hoppla - Ein deutsches Schicksal vorturnte. Freitag erinnert sich anläßlich eines Klassentreffens nach 20 Jahren an seinen paramilitärischen Sportunterricht.

So zwischendurch macht sich der perfekte Stimmenimitator auf die Suche nach der nationalen Identität der Deutschen. Blüm, Stoltenberg, Strauß, Brandt und natürlich Helmut Kohl suchen mit. Zunächst mischen die abgehalfterten Politgrößen in der Schlacht im Teutoburger Wald mit. Den untersetzten Arbeitsminister zwingt er in die Knie: „Der Blüm hat seine Schuldigkeit getan, der Blüm kann gehen“. Sein Spezi ist aber immer noch der Kanzler. Der Kabarettist läßt den breiten Pfälzer eine interessante Dialektik entwickeln: „Ich bin Kanzler“ (These), „Ich war Kanzler“ (Antithese) und als Synthese „Ich bleibe Kanzler“. Im schnellen Galopp reitet Freitag dann auf dem Turnpferd durch den Rest der deutschen Geschichte. Moderiert wird der Ritt abwechselnd von Ernst-Dieter Lueg und dem erinnerungsschwachen Starkritiker Marcel Reich-Ranicki. Barbarossa und Fürst Metternich werden besucht, Friedrich II. tritt als köstlich-italienisch angehauchter Transvestit auf. Ein schauspielerisches Glanzstück von Freitag, das er mit Rauch-, Klang- und Lichteffekten wie ein Musical in Szene setzte. Letzlich ist „die“ nationale Identität nicht zu finden und Freitag zitiert Goethe, der schon befand, die Deutschen hätten sich eben das Fremde als Kulturgut angeeignet. Realsatirischer Schlußpunkt des Abends: die Hymnen-Vereinigungs-Version vom 9. November 1989. Tammo Löffler

noch heute, So, Di , Kammerspiele, jeweils 21 Uhr

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