piwik no script img

Glück für ein kurzes Leben lang

■ „Life is a beautiful feeling“: Ein Film über einen Bremer Herointoten

Als Nico Bossong im April 1992 in Bremen starb, war er 23. Er starb an einer Überdosis Heroin. Bis heute ist ungeklärt, ob Nicos Tod ein Unfall war oder ob er ihn selbst riskiert hat. Nico hatte gerade erst angefangen, Heroin zu drücken. „Er hat es probiert und ist dabei draufgegangen“, sagt seine Freundin Beate Skiba. Beate Skiba ist außerdem Filmemacherin. Nach einem Bild von Nico drehte sie einen Dokumentarfilm, der heute Premiere hat. Nico nannte sein Bild „Life is a beautiful feeling“. Beate Skiba gab ihrem Film den gleichen Titel und erklärt: „Es ist ein Film wie Nico.“

„Life...“ ist ein Drogenfilm, der nicht nach Gründen sucht, z.B. in dem entrollten Lebenslauf des Opfers. Die Filmemacherin Beate Skiba wollte den Freund verstehen. Ihr ging es darum, ein ganz eng gefaßtes Stimmungsbild von Nico wiederzugeben. Sie fragte sich nach seinem Lebensgefühl, seinen Sehnsüchten, wollte auch wissen, welche Glücksmomente ihm das Heroin beschert hat.

Ein halbes Jahr nach Nicos Tod erhielt Beate Skiba – sie studiert Film und Malerei an der hiesigen Hochschule für Künste – für ihre Drehbuchidee den Bremer Dokumentarfilm-Förderpreis, später dann auch Bremer Produktionsförderung; Anfang 93 begann sie, Nicos Mutter und seine besten Freunde zu interviewen.

Diese waren selbst gezwungen, sich den Tod des Sohnes und Freundes auf irgendeine Art zu erklären. Der Schmerz sitzt im Film noch in ihren Stimmen. Sie erinnern sich daran, wie Nico drauf war, an seine Gefühlsäußerungen, die letzte Begegnung mit ihm. Beate Skiba zeigt ihre GesprächspartnerInnen in der Wohnung, in der Kneipe, wo sie mit Nico zusammenwaren. Auf Schnipseln zitiert sie die Schlüsselworte aus Nicos Grabrede („überleben, sensibel, Lust, Glück ...“) und setzt so ein grob gerastertes Portrait von ihm zusammen – aus den Augen derer, die ihm am nächsten waren.

Aber auch Nicos Bilder selbst sollen im Film sprechen, sollen Antworten geben, die ganz intim von seiner Befindlichkeit erzählen. Nico zeichnet Sonnen und grauslig entstellte Figuren – entfernt erinnern sie an die exzessiven Gestalten von Francis Bacon – ; nun sind sie als Standbilder eingefroren. Beate Skiba arbeitet assoziativ mit ihnen: Als ein Freund gerade erzählt, daß Nico „einfach raus“ wollte, bebildert sie die Szene mit einer Schwarzweißzeichnung mit einem wütenden Riesenkopf in einer Zelle.

Viele kleine optische und ebenso akustische Mosaiksteinchen (einmal schreit sich Nico die Schnulze „Dein ist mein ganzes Herz“ aus der Seele) sammeln sich auf diese Weise an. Sie nähern sich bis zum Schluß sehr vorsichtig einem Menschen, den die Kamera nur noch auf einem seltenen Archivbild erafssen und ganz zaghaft abtasten kann.

Beate Skiba richtet einen sehr persönlichen Focus auf ihren Freund. Vieles grenzt sie aus, ganz wenige Fakten nur sind in ihrem 30-Minuten-Dokument enthalten. Daß Nico beispielsweise eine Steinmetzlehre gemacht hat, in der Friesenstraße gewohnt hat; wie er an das Heroin herangekommen ist, wie er es finanziert hat – all das können wir nur erahnen. „Life is a beautiful feeling“ ist keine Reise in die Drogenhölle, es ist eine wagemutige Reise in Nico Bossongs Gefühlswelt, und Beate Skiba hat es geschafft, den Freund dabei weder bloßzustellen noch zu heroisieren. Am Ende bleibt ein insgesamt positiv gefärbter Drogenfilm in Erinnerung, dem man nur wünschen kann, daß er künftig ernstgemeinte Aufklärungsprogramme bereichert. Denn die „kleine philosophische Ohrfeige: lebe jetzt!“, die Beate Skiba austeilen wollte, die sitzt. Silvia Plahl

Heute um 19 Uhr ist Premiere im Kino 46, Waller Heerstr. 46; Beate Skiba und ihr Team sind anwesend.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen