piwik no script img

Nahkampf im Büro

■ Meistens mobben Männer / Die DAG hat sich eine Betriebsvereinbarung ausgedacht

Ich mobbe, also bin ich - das scheint die neue Survivalparole zu sein. Hier werden die Ellbogen eingesetzt, dort erfolgen Tritte unter die Gürtellinie. Was gern als Ausdruck von Durchsetzungskraft und Sebstbewußtsein schöngeschrieben wird, fordert täglich tausende von Opfern.

Seitdem die Deutsche Angestellten Gewerkschaft (DAG) im Mai des vergangenen Jahres ein Notruftelefon für Mobbing-Geschädigte einrichtete, läuft die Leitung heiß. Allein von Mai bis Dezember meldeten sich 1.352 Betroffene, 649 Fälle (davon 75% Frauen) wurden genau protokolliert. Sie arbeiteten zu 38,9% in der privaten Wirtschaft, zu 47,2% im öffentlichen Dienst und zu 13,9% in Non-Profit-Organisationen wie Kirchen und Diakonien. Dort holten sich die Mobbing-Opfer Depressionen, Hörstürze, Nervenzusammenbrüche (31,3%), Verspannungen (14%), Schlafstörungen (22,3%), Magen- und Darmkrankheiten (24,6%), sowie Herz- und Kreislaufstörungen (7,8%). Einige der AnruferInnen, referiert DAG-Sekretärin Karin Peetz, waren schwer suizidgefährdet.

Der überwiegende Teil, nämlich 59,7% der AnruferInnen gab an, von Männern gemobbt worden zu sein. Deutlich macht die Untersuchung allerdings, daß sich Männer auf gleicher hierarchischer Ebene weniger beharken als Frauen: Die Frauen wurden zu 54,3% von Vorgesetzten und zu 45,7% von KollegInnen gemobbt, während Männer zu nur 28,6% von KollegInnen und zu 71,4% von Vorgesetzten attackiert wurden.

An diesem Punkt also muß die Betriebsvereinbarung scheitern, welche die DAG entwickelte, um dem psychosozialen Streß in den Betrieben beizukommen. „Unser Ziel ist es“, erklärt DAG-Bezirksleiter Hartmut Frensel, „daß Opfer nicht länger zu Tätern gemacht werden.“ Daher sind Arbeitgeber aufgerufen, das Mobbing in ihren Firmen offiziell zu ächten. Unter Pragraph 1 allerdings, der den Geltungsbereich bestimmt, steht klar und deutlich: „Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Arbeitnehmer.“ Wie sollte es auch anders sein, welcher Arbeitgeber würde sich denn darauf einlassen, im eigenen Betrieb als Psychokiller geoutet zu werden? Anders als ihm drohen dem untergebenen Mobber arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung.

Wie zu erwarten war, tun sich Arbeitgeber laut DAG bislang schwer, die Betriebsvereinbarung in die Hausregeln aufzunehmen. Auch Krankenkassen weigern sich ebenso standhaft wie die ÄrztInnen, das Mobbing als Krankheitsursache anzuerkennen. Um auch hier das Bewußtsein zu schärfen, plant die DAG im November ein zweites Fachforum, für das noch MitstreiterInnen gesucht werden. Diese können sich ebenso wie Mobbing-Opfer bei der DAG melden. dah

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen