piwik no script img

SanssouciVorschlag

■ "Blutiger Honig" - ein Insektenmusical im SchwuZ

Kennen Sie den? Treffen sich zwei Würmer, fragt die eine die andere: „Wo ist denn dein Mann?“ Sagt die andere: „Beim Angeln.“ Oder den? Kommt eine arbeitslose Biene zur „Zentralen Bienen-Vermittlung“ und bittet um einen Job. Die Angestellte sagt, sie hätte keinen, worauf die Biene kontert: „Aber Sie vermitteln doch pro Tag 600 Jobs!“ Sagt die Angestellte: „Von diesen 600 Jobs vermittele ich 95 Prozent an Eintagsfliegen. Denen sage ich, prima, Sie können morgen anfangen ...“ Irgendwann im Verlauf des zweieinhalbstündigen Insektenmusicals „Blutiger Honig“ fallen diese zwei Witze. Das wär's dann aber auch schon an Amüsement. Für 18 Mark Eintritt ziemlich wenig, fürwahr.

Größenwahnsinnig hat „Die Seifenoper“ – ein neu gegründetes Musiktheater ohne feste Spielstätte – ihre Produktion angekündigt. Allein der reißerische Titel hat etwas Verlockendes. Erst recht der Programmtext. Auszug: „Wo andere Sie quälen, wollen wir Sie unterhalten. Schillernd, schön, fragil, mit Fundament. Damit unser Fundament nicht gleich zu Beginn restauriert werden muß, haben wir uns an ein bestehendes Musical herangemacht. Es geht um Bienchen, Blümchen, Sex und Macht. Mehr wollen wir nicht verraten – schließlich sollen Sie ja hingucken, während wir uns abrackern.“

Abrackern, gut und schön. Es war ja auch wirklich noch sehr heiß, und da nimmt man es mit Gesang und Mimik nicht ganz so genau. Wir sind ja tolerant. Aber was „Blutiger Honig“, nach einer Idee von Thomas Pigor geschrieben von College of Hearts, da auftischt, ist klebriger Brotaufstrich. Eine verunglückte Biene Maja für Erwachsene, garantiert jugendfreier Sonntagnachmittagkinderklamauk. Also eine Katastrophe.

In wunderschönen Kostümen (Daniele Drobny), das allerdings, summen drei gletscherbebrillte Drohnen wie Mehlsäcke über Autobahnen und Wiesen hinweg, auf der Suche nach neuen Ufern, denn niemand ist mehr da, den sie befruchten können. Einer landet schließlich auf einem Kuchenstück in einer Konditorei und will dort in Rente gehen, ein anderer fliegt auf „geile Hummeln“. Der dritte und schmächtigste verliert sein Postsparbuch (Postsparbuch, wie witzig).

Zwischendurch, falls das noch jemanden interessiert, stirbt eine Hummel, heißt es hundert Mal „Wir müssen auf die Pauke hauen, daß die Schwarte kracht“, singt ein Chor aus kieksenden Männerkehlen Schlaflieder, wird eine Eintagsfliege schwanger. Wer darüber lachen soll, oder ob das Ganze nur eine schlecht getarnte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für weniger arrivierte Schauspieler ist, bleibt ein Rätsel. Aber wer will das schon wissen. Thorsten Schmitz

„Blutiger Honig“, bis 21. 8. und 1.-16. 9., Do bis So, 21 Uhr, SchwuZ, Hasenheide 54, 2. Hof, 3. Aufgang, 4. Stock.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen