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■ Auf zur NRW-Verbraucherausstellung '94Aktiv leben, lecker schmoren

Düsseldorf (taz) – Pünktlich um 11 Uhr hebt Major Lieder den Taktstock. Das Heeresmusikkorps 7 intoniert „Des großen Kurfürsten Reitermarsch“. Hauptsache Blech, werden sich die Programmplaner gedacht haben. Dieser Vorgabe bemüht sich auch Düsseldorfs Bürgermeister Kürten in seiner Ansprache gerecht zu werden. Nach ihm entert NRW-Sozialminister Müntefering dynamisch das Podium und kriegt damit auch gleich die rhetorische Kurve zum vielstrapazierten Motto der Verbraucherausstellung: „aktiv leben“. Vor einigen hundert Besuchern, die sich in Halle 9 zwischen Pelzen und Goldkettchen, Kosmetik und Krawatten eingefunden haben, feiert der Minister das aktive Leben und wünscht im übrigen viel Spaß und gute Geschäfte. „Duab- duah“ swingt ein Chor für Ruanda, die Heeresmusiker schieben noch einen gepflegten Rock 'n' Roll nach. Die Messe (bis 21.8.) ist eröffnet.

Über sieben Kilometer Fußmarsch durch die Hallen muß bewältigen, wer unbedingt den Totalüberblick darüber erhalten will, was heutzutage so alles das aktive Leben ausmacht. „Sie dürfen gerne mal unsere fettfreie Gemüsebrühe probieren“, lockt eine Dame. Da nehmen wir doch lieber einen karibischen Sommerdrink von der Innungskrankenkasse ein paar Meter weiter. Plötzlich bearbeitet jemand meinen Rücken mit einer Art hölzernem Auto, einem Massageroller, Sonderpreis heute nur 25 Mark. Ich rette mich zum Grenzschutzpräsidium West. Kinder klettern in einem riesigen, schmutziggrünen Wasserwerfer herum. „Der wird bei Demonstrationen und Waldbränden eingesetzt“, erklärt ein Uniformierter. Derweil macht sich eine russische Folkloregruppe zum Auftritt bereit; ob der Grenzschutz sie eigens an der Oder abgefangen hat?

Auch die Bundeswehr („eine Welt voller Berufe“) in der Nachbarhalle findet reges Interesse. Schließlich gibt es hier kostenlos das neue Computerspiel „Helicopter Mission“, bei dem es gilt, Verletzte zu bergen, Schiffbrüchige zu retten und derlei edle Taten mehr zu vollbringen. Unwillkürlich fragt man sich, ob vielleicht Bundeswehr und Rotes Kreuz kürzlich fusioniert haben. „Übrigens“, flüstert ein Info den Kids zu, „Raubkopien sind ausdrücklich erlaubt.“ Die hier an den aufgestellten PCs zum Joystick greifen, tippen erst mal brav Name, Adresse und Alter in die Tastatur.

Im Mittelpunkt des Geschehens aber steht unübersehbar das „internationale Schlemmerland“. Schon am Vormittag füllen sich die Bierstände, bayerische Weißwurst und Leberkäs gehen reißend weg. „Aktiv leben“, das heißt in der Sprache eines Patentgrill-Anbieters „schonend dünsten, kross toasten, lecker schmoren, knusprig backen“. Ein schottischer Whiskyhersteller schickt einen Sackpfeifer ins Rennen, auf daß das Publikum bedudelt ist, noch bevor es zum 43prozentigen greift. Ich selbst finde mich unverhofft in einer Weinlaube wieder und muß abwechselnd Müller-Thurgau, Kerner Spätlese, Grünen Veltliner sowie einen spanischen Rosé verkosten. Kurz vor einem 12-Flaschen- Kaufabschluß gelingt mir die Flucht, vorbei am Kunstmarkt mit seinen Clowns in Öl, hinein in die Abteilung „Landwirtschaft zum Anfassen“. Hier kann man das aktive Leben mal ganz den Tieren überlassen. Den acht Ferkeln von Zuchtsau Jolante, die an den Zitzen drängeln, oder den Waldameisen im Formicarium, die da unterm Plexiglas ihren Hügel bauen.

Später in der Straßenbahn ist es auffallend still. Viele gähnen. Kinder knistern mit erbeuteten Chipstüten. „Mir tun die Füße weh“, seufzt eine Frau. Ein Ehepaar sagt gar nichts. Aber beide halten festentschlossen je einen großen lila Luftballon im Arm. Olaf Cless

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