: Besuchsverbot für Bosnier
■ „Angeblichen Diplomaten“ aus Sarajevo wurde Zugang zu Flüchtlingsschiffen verwehrt Von Kaija Kutter
Der Besuch von fünf Parlamentariern aus Sarajevo verlief am Montag nicht wie geplant. Nachdem sich am Vormittag lediglich drei GAL-Abgeordnete bereitfanden, mit den bosnischen Politikern zu reden - darunter der Präsident der zweiten Kammer des Parlaments, Professor Abdullah Konjicija - wurde den Besuchern am Abend der Zugang zum Flüchtlingsschiff „Bibi Challenge“ in Neumühlen verwehrt.
Trotz des ausdrücklichen Wunsches der Bewohner, mit den Parlamentariern zu sprechen, habe sich der Sicherheitsdienst nicht erweichen lassen, berichtet der Journalist Kemal Dogan der taz. Lapidare Auskunft der Wachmänner: Sie seien beauftragt, niemanden, der sich als bosnischer Parlamentarier ausgibt, auf das Schiff zu lassen. Obendrein hatten Plakate an Bord die 600 Bürgerkriegsflüchtlinge vor vier „angeblich bosnischen Diplomaten“ gewarnt, die sich im Bereich der Wohnschiffe aufhalten. Diese würden männliche Flüchtlinge unter Druck setzen, nach Bosnien zurückzukehren, um sich am Krieg zu beteiligen (siehe Foto).
Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun, sagt Sozialbehördensprecherin Christina Baumeister. In der Tat hätten Bewohner dem Unterkunftsleiter der „Bibi Challange“ erzählt, daß sie von Bosniern bedrängt worden seien: Entweder sie beteiligten sich am Krieg oder ihre Familien müßten ausreisen. Der Unterkunftsleiter habe daraufhin in Absprache mit dem „Landesbetrieb Pflegen und Wohnen“ Zettel aufgehängt, „um die Leute zu beruhigen“. Daß die Parlamentarier nicht an Bord durften, habe lediglich daran gelegen, daß sie nicht angemeldet waren.
„Wie sollen die auch aus Sarajevo vorher anrufen“, ereifert sich GAL-Politiker Martin Schmidt, der mit der Delegation gesprochen hatte und von deren guten Absichten überzeugt ist. „Die haben ausdrücklich gesagt, an eine Rückführung der Flüchtlinge sei erst zu denken, wenn in Bosnien wirklich Frieden ist“. Die drei Abgeordneten und zwei Parlamentssekretäre seien in Hamburg, um die Lage der Flüchtlinge zu untersuchen und getrennte Familien wieder zusammenzuführen. Der sechste der Gruppe habe nicht mitreisen können, weil es ihm nicht gelungen sei, aus seinem Wohnort friedlich wegzukommen. Schmidt: „In Sarajevo ist die Lage wieder ernst.“
„Daß wir nicht an Bord dürfen und die Flugblätter auf dem Schiff uns als Kriegstreiber hinstellen, ist ein Skandal“, beklagte auch Delegationsleiter Konjicija, nachdem er sich vor dem Schiff mit seinen Landsleuten unterhalten hatte. Er werde diese „Erniedrigung“ zum Abschluß der Reise in Bonn zur Sprache bringen.
Für klärende Worte vorab ist es allerdings zu spät. Bevor die Delegation in die Bundeshauptstadt kommt, weilt sie in Schweden und Dänemark.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen