: Black & white – Geschichten aus dem neuen Südafrika Von Johannes Dieterich
Am Anfang schickte 's Mütterle noch Freßpakete. Als Reporter in Afrika, 122 Pfund Lebendgewicht, braucht man schließlich logistisches Back-up, nur daß die Maultaschen regelmäßig mit blauem Bärtchen ankamen. Bis sich die Urquellin aller Sättigung selber davon überzeugen konnte, daß zumindest der Süden des ausgemergelten Kontinents nicht nur staubige Savanne und lederne Elefanten, sondern auch Litchis, Mango- Eis und geräucherten Krokodils- Schwanz-Salat zu bieten hat.
Nun läßt sich nicht bestreiten, daß eine verschwindend kleine Minderheit Südafrikas, die weißen Afrikaner nämlich, in deutschen Medien besonders häufig abgehandelt werden. Das liegt keineswegs bloß daran, daß man als blauäugiger Germane bei den rechten Buren herzlich wie sonst nirgends aufgenommen wird – unter den Farmernazis kann man auch völlig sicher sein, nie mit leerem Magen nach Hause geschickt zu werden. Selbst zu Demos bringt der Bure seine Rindswurst und Propangas- Flasche mit: Jeder rechtsradikale Aufstand ging bislang spätestens zum Nachmittag nahtlos in ein Grillfest über. „Ich fürchte mich vor unserem Burenstaat“, sagte mal ein Wachsoldat des rechten Widerstandssenders „Radio Pretoria“ mit vollem Mund: „Wir werden uns dort alle zu Tode fressen.“
Eine bislang zuwenig bedachte Problemlösung fürs Kap der Guten Hoffnung. Strategisch ausgebufft hält sich die schwarze Mehrheit unterdessen mit Maisbrei und Tomatensauce dünn. Der Bio- Kleister, der nicht nur „Papp“ heißt, sondern auch so schmeckt, schreckt allerdings außer Fliegen auch Journalisten ab, weswegen aus den schwarzen Townships mehr über Mord und Totschlag als über Leben, Lieben und Abendessen berichtet wird. Unser Maultaschen-Held brach kürzlich fast eine Soweto-Recherche ab, als ihm zum Lunch als Leckerbissen ein getrockneter Schafskopf serviert wurde. Manchmal kommt halt erst die Moral und dann das Fressen, sprach sich der Reporter Mut zu, bevor er knapp unter dem traurigen Schafsauge ein Stück Backe aus dem Knochen pulte.
Während vom Township aus noch jederzeit die Flucht ins Stadtzentrum zum Dinner beim Inder gelingt, versuchen erfahrene Afrika-Reporter eines um alles in der Welt zu meiden: einen Auftrag nördlich von Pretoria. Malawi, Mosambik, Angola – schon beim Gedanken an solche Rohkoststaaten schwitzt Maultasche Azeton. Für unvermeidliche Fälle kennt die News-Gemeinschaft natürlich ein paar Überlebensstrategien. Der Johannesburger Camping-Laden „MI-Stores“ bietet Trockenfutter zum Anrühren mit warmem Wasser an. Außerdem kann man sich in den Kap-Apotheken zähe energy-bars holen. Wer für kluge Köpfe statt für Hungerlöhne schreibt, muß sowieso selbst im Bürgerkriegsland Angola weder auf Hummer noch auf Wein verzichten. Und mancher Chronist mit einer vom Anspruch auf Betroffenheit gestählten Galle findet auch an jenen drallen Raupen verbissenen Gefallen, die im eigenen Fett gebraten zu den Leckerbissen der mosambikanischen Feldküche gehören. Was eine schwedische Kollegin kürzlich jedoch im ruandischen Katastrophengebiet vollbrachte, verweist alles andere ins Dilettanten-Reich: Sie legte in zwei Wochen Goma mehr als zwei Kilo zu.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen