: Koschnick für Partnerschaft mit Tuzla
■ EU-Administrator von Mostar wehrt sich gegen seine Instrumentalisierung im SPD-Wahlkampf
„Es geht um Mostar und um nichts anderes“. Hans Koschnick, Bremer Bundestagsabgeordneter der SPD und EU-Administrator in Mostar, verwehrte sich gestern eindeutig dagegen, für Bremer Wahlkampfzwecke auch von Parteigenossen ausgenutzt zu werden. Gemeint war Koschnicks Nachfolger im Wahlkreis Bremen-West, Konrad Kunick, der vergangene Woche zu einer speziellen Koschnick-Solidaritäts-Aktion aufgerufen hatte.
Hans Koschnick ist nach Bremen gekommen, um sich von der aktiven Bundestags-Politik zu verabschieden. Er legt sein Mandat für die verbleibenden Wochen der Legislaturperiode bis zum 16. Oktober allerdings nicht nieder. Bundestags-Präsidentin Rita Süßmuth hat den Bremer lediglich von seiner Präsenzpflicht befreit.
„Meine Aufbauarbeit in Mostar hätte im Wahlkampf sicher gut eingeschlagen“, meinte Koschnick gestern vor der Presse. Er selbst will diese Früchte aber nicht mehr ernten. Die wollte dafür ein anderer nutzen. Konrad Kunick forderte in der vergangenen Woche ein besonderes Engagement Bremens für Koschnick und Mostar. Da die Europäische Union einen Bremer dorthin geschickt hätte, sei dessen Heimatstadt zu besonderer Hilfe für die kaputte Stadt verpflichtet. Jede in Bremen gespendete Mark solle vom Senat um den selben Betrag aufgestockt werden, meinte Kunick. Auf der ersten Bürgerschaftssitzung nach der Sommerpause solle ein Spendenkonto für Mostar beschlossen werden. Mit entsprechendem psychologischen Appell an die Menschlichkeit, kann sich gegen ein derartig gutes Projekt ja auch keine Bürgerschaftsabgeordnete verschließen – gleich welcher politischer Coleur.
Hans Koschnick verwehrt sich jedoch gegen eine solche parteipolitische Institutionalisierung des Elends. Wenn überhaupt mit bosnischen Städten für politische Ziele geworben werden solle, dann mit Tuzla. Und zwar für eine multi-kulturelle und multi-ethnische Gesellschaft, nicht für Parteipolitik hierzulande. Die Industriestadt ist die einzige noch verbliebene Stadt in Bosnien, in der SerbInnen, KroatInnen und MuslimInnen noch friedlich zusammenleben. „Ich denke, daß das mittlerweile bei denen, die hier den Mund aufreißen, angekommen ist“, sagt Koschnick unverblümt und betont nochmal, daß er für „die Menschen, nicht für Wahlen wirbt“. Außerdem habe er nicht vor, „mit Forderungen an den Senat heranzutreten“.
Verständlich wäre das, fehlt doch in Mostar an allen Ecken und Enden Geld. Die Unesco hat zwar eine Schule geschenkt, aber die 40.000 Mark für ein Fundament oder Wasser- und Stromanschlüße waren erstmal nicht da. Dabei seien die Kinder das wichtigste Kapital für eine neue Gesellschaft, so Koschnick. Die zerstörten Häuser könnten nicht innerhalb von zwei Jahren aufgebaut werden. Deswegen müssen vorrangig Schulen und Krankenhäuser gebaut werden, eine gemeinsame Polizei der Kroaten und Muslime wäre wichtig.
Erstmal ist Hans Koschnick froh, daß am 6. September rund 40 Bundesgrenzschützer nach Mostar entliehen werden und im Herbst um die 200 internationale Polizisten kommen. „Die Region akzeptiert Uniformen mehr als Zivilisten“, sagt Koschnick. „Probleme, Probleme. Aber wir werden einen Weg finden“. fok
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