piwik no script img

BVG hinkt im Aufzug hinterher

■ S-Bahn ist fahrradfreundlicher: Mehr Zugänge zu den Bahnsteigen / U-Bahn-Züge bekommen Mehrzweckbereiche / Sperrzeiten bei der BVG sorgen für Verärgerung

Fahrrad und öffentliche Verkehrsmittel: zwei umweltfreundliche Fortbewegungsvarianten, die sich ideal ergänzen – oder treffen da zwei Welten aufeinander? Kritiker behaupten, die BVG vergraule die Radler: „In erster Linie stören uns die Sperrzeiten, in denen in der U-Bahn kein Fahrrad mitgenommen werden darf“, klagt Michael Föge vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). Velos dürfen in der U- Bahn nur von 9 bis 14 Uhr und ab 17.30 Uhr mitgenommen werden. BVG-Pressesprecher Wolfgang Göbel hält das auch für richtig: „Im Berufsverkehr ist so ein Gedränge in den Zügen, daß für Räder einfach kein Platz mehr bleibt.“ Da müsse eben auf die anderen Fahrgäste Rücksicht genommen werden. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) sowie Fahrgast- und Radlerorganisationen sehen das anders. Sie fordern, die Sperrzeiten abzuschaffen. Föge meint, daß es zu einer Art „Selbstregulierung“ käme, wenn das Mitnehmen zwar prinzipiell erlaubt sei, wenn jeder aber auf den verfügbaren Platz achten würde.

Göbel hingegen graust es bei diesem Gedanken. In diesem Falle seien Konflikte zwischen Radlern und anderen Fahrgästen unvermeidlich, befürchtet er. Ein Kompromißmodell wird in der Publikation „Fakten, Argumente, Forderungen“ vorgestellt, die vom ADFC und der Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung herausgegeben wird. Die Autoren Tilman Bracher und Wilhelm Hörmann empfehlen: „Sperrfahrten statt Sperrzeiten“.

In anderen Städten, zum Beispiel in Dresden, habe sich das Prinzip der Selbstregulierung bereits bewährt. „Daran sieht man, daß die bei der BVG einfach nicht wollen“, ärgert sich Föge. „Unsere Zusammenarbeit mit der S-Bahn ist bisher besser, weil die zuständigen Leute mehr Verständnis für Radfahrer haben.“ In der S-Bahn gibt es keine Sperrzeiten.

Ein bißchen Verständnis bringt der Mann vom ADFC dennoch für die BVG auf: „Natürlich haben die weniger Platz als in einem S-Bahn- Waggon, zumal sie auch ihre Stehplätze miteinkalkulieren müssen.“ Dabei ist die Situation in Hamburg genau umgekehrt. Dort hat die U- Bahn keine Sperrzeiten, dafür aber die S-Bahn. Göbel ringt jedoch um Nachsicht und erläutert die technischen Probleme der BVG: „Insbesondere in den Kleinprofilzügen herrscht völliger Platzmangel“, sagt er. Hinzu kämen noch die alten Züge, Typ G I, auch „Gisela“ genannt, mit nur zwei Türen. „Da reicht es vorne und hinten nicht mehr für Fahrräder in der Hauptverkehrszeit“, seufzt der Fachmann. Bestes Beispiel sei die Linie 1, die die FU-Studenten nach Dahlem fahre: „Wenn die alle ihre Räder mitnehmen dürften, wäre das Chaos komplett.“ In den Großprofil-Zügen, versichert Göbel, sei die BVG auch während der Sperrzeiten entgegenkommend.

Um Platzprobleme dreht sich die Diskussion auch beim generellen Radverbot in Tram und Bussen. Da die Nachfrage für Velo- Transporte bei diesen Fahrzeugen ohnehin gering sei, stelle sich auch kein Raummangel ein, argumentiert Föge, der ÖPNV-Experte des ADFC: „In Dresden geht es ja auch.“ Die BVG bleibt bei den alten Argumenten: kein Platz, zuviel Gedränge beim Ein- und Aussteigen. „Wo sollen denn die Rollstuhlfahrer und Kinderwagen hin, wenn wir auch Fahrräder in die Busse lassen?“ fragt Göbel.

Auch hier nennen Bracher und Hörmann eine Alternative: Durch den Ausbau von Sitzreihen und die Installation spezieller Halterungen könne Platz geschaffen werden. Bewährt habe sich das Prinzip in Braunschweig, Düren und Herten.

ADFC kämpft für Rampen und Aufzüge

Neben erweiterten Mitnahmemöglichkeiten setzt sich der ADFC auch für die Verbesserung der Bahnsteigzugänge ein. In diesem Punkt ist das Gefälle zwischen BVG und S-Bahn deutlich: Während fast die Hälfte der Bahnhöfe im Berliner S-Bahn-Bereich mit Rampen oder Aufzügen ausgestattet ist, kann die BVG nur 28 von über 160 U-Bahnhöfen vorweisen, die für Radler, Rollstuhlfahrer oder Kinderwagen problemlos zugänglich sind. Elf weitere sind im Bau. Für weitere Ausbauten sei leider kein Geld mehr vorhanden, bedauert Göbel. „Die Deutsche Bahn plant langfristig, sämtliche S- Bahnhöfe im Berliner Netz mit Rampen oder Fahrstühlen auszurüsten“, versichert Wilfred Modeß-Hahn von der Bahn AG.

Gute Nachrichten gibt es für alle Velo-Freunde in Sachen neue S- und U-Bahn-Züge. 1996 wird die S-Bahn mit neuen Wagen betrieben, die nach dem sogenannten modularen Ausstattungskonzept konstruiert worden sind. Das heißt: durch klappbare Längssitze kann der vorhandene Raum je nach Bedarf für Räder, Kinderwagen, Rollstühle oder Sitzplätze genutzt werden. Auch in den zukünftigen U-Bahn-Zügen, die mit durchgehendem Innenraum geplant sind, sollen Mehrzweckabteile Einzug halten. Damit kommen die Verkehrsbetriebe den Forderungen des ADFC und anderer Organisationen entgegen.

Wer sich jedoch gar nicht erst mit Sperrzeiten, Mitnahmeverboten und der Velo-Schlepperei auf U-Bahnhöfen herumschlagen will, für den gibt es eine Alternative, ohne auf die Kombination Rad/ ÖPNV verzichten zu müssen: das Faltrad (s. Bericht auf der Nebenseite). Zusammengefaltet haben manche Modelle nur die Ausmaße eines hohen Aktenkoffers. Mitnahmemöglichkeiten? Unbegrenzt. Fahrkarte? Nein. Lars Klaaßen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen